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Morgens immer noch böiger Wind, aber kein Regen mehr. Aufbruch um 8:20 Uhr. Schaue noch schnell bei der
Hütte vorbei um mich von Lissi zu verabschieden. Bekomme doch tatsächlich ein scheues Bussi auf die Wange
gedrückt! Mmmmhh - wenn die Ungarn genauso verabschiedet wurden, dann sind sie danach mit ihren
Monsterrucksäcken den Berg hinauf geflogen. Einerseits hätte ich ihnen das gegönnt, aber anderererseits ...
aber lassen wir das, die Wüste wartet. Auf die Ebene umgerechnet sollte jedoch ein solcher
Motivationsschub bei mir bis Heršubreišarlindir reichen.
Es ist grau und bedeckt, der Wind hält sich in Grenzen. Komme auf der Piste gut voran. Erst überholt mich
der Bus mit den Franzosen, die sich aufführen als hätten sie noch nie einen Fußgänger gesehen. Dann
ein Konvoi von fünf isländischen Geländewagen und ansonsten bekomme ich den ganzen weiteren Tag nur
noch drei weitere Autos zu Gesicht. Die Piste führt an der Westseite der Kverkhnjúkar nach Norden und
quert einige Lavafelder. Tiefrote Gesteine bringen Kontrast in das vorherrschende Grau-Schwarz. Bis auf
einzelne, sich verlierende, Steinnelken und graues, schon fast mineralisch aussehendes, Moos
keine Vegetation.
Bin heute Morgen mit leichten Schmerzen im linken Knie aufgewacht. Habe das Knie mit Voltaren eingerieben.
Es ist nicht schlimmm, behindert auch nicht. Nur der leichte Schmerz bringt sich während des Tages
immer wieder in Erinnerung. Pause auf einem zackigen Lavablock in etwas Abstand zur Piste sitzend.
Heißer Tee
und Müsliriegel. Lasse die Gedanken treiben - bin wieder unterwegs. Ruhig und neugierig beobachte ich wie
die Landschaft, von der ich nur das Kartenbild kenne, sich materialisiert. Das abstrakte Bild
der Höhenlinien und Signaturen und ihrer Lagebeziehung abgleichen mit der realen Landschaft. Aus den
Unterschieden lernen und langsam an der Erfahrung weiterbauen.
Etwa 15 km nördlich der Siguršarskáli teilt sich die Piste F903 in eine westliche und eine östlich Route,
die zu der versteckten Oase Hvannalindir führt. Auf den drei Tagesetappen von den Kverkfjöll zum Heršubreiš
sind die Hvannalindir, die "Engelwurzquellen", die einzige Möglichkeit zu klarem Wasser zu kommen. Das
mit Gletschersedimenten gesättigte Wasser der Jökulsá á Fjöllum, die ich morgen Abend erreichen will,
kann man eher als eine Gesteinsmehlsuppe bezeichnen. Also führt mein Weg logischerweise zu nächsten
Oase, auch wenn dieser Weg ein paar Kilometer länger ist.
Winderosion
Pass
Topfeben geht es auf Hvannalindir zu. Die Sonne ist herausgekommen und Fata Morgana Erscheinungen
erschweren das Schätzen von Entfernungen. Der auffallende Hügel Lindakeilir ist von einem grünen Band
umgeben. Dort sollte es Wasser geben. Ich verlasse die Piste und strebe auf den pyramidenförmigen
Hügel zu. Auf seiner Ostseite komme ich zu einem der ruhigen, klaren Quellbäche der Lindaá. Baue um
15:45 Uhr mein Zelt auf, wasche mir im Bach die staubigen Beine, mache eine kurze kleine Brotzeit und falle
dann erschöpft für 2 Stunden in einen tiefen Schlaf.
Hvannalindir
Leuchtende Abendsonne auf den schon weit entfernt liegenden Kverkfjöll. Arbeite von bis 22:20 Uhr an
den Aufzeichnungen und grüble über den Karten. Verarzte mir nochmal mein linkes Knie. Macht mir etwas
Sorgen.
Kurz vor der Abzweigung der östlichen Piste, die dann weit nach Süden ausholt, kürze ich
direkt Richtung Hvannalindir ab. Direkt neben der Piste nutze ich einen Einschnitt in den
niederen Ausläufern der Hügelkette. Wenige Minuten später quere ich auf der anderen Seite der Hügel
die etwa 2 Kilometer weit wieder nach Süden führende Piste. Ich peile mit dem GPS Hvannalindir an, aber
das kurze Tal, welches nun vor mir liegt paßt nicht zur alten 100.000er Karte. Was soll's, meine
Richtung ist auch so klar. Der Talboden ist eine flache, ausgetrocknete Schwemmfläche, und nach
einer Biegung kann ich zu meiner Beruhigung erkennen, daß ich dieses Tal an seinem Ende
über eine enge, aber niedere Scharte nach Osten auch verlassen kann. Der Aufstieg ist kurz, steil
und sandig. In der Scharte größere, gelbliche Steine bei denen die Winderosion auf der Luvseite
härtere, schwarze, basaltische Komponenten so herauspräpariert hat, daß sie teils nur wie auf
Stängeln aus dem einst kompakten Block ragen. Die Scharte ist eine perfekte Düse für die Südwestwinde.
Auf der anderen Seite der Scharte geht es noch steiler und deutlich tiefer hinab in den flachen Boden
eines weiten Tales das im Westen von den letzten Auläufern der Kverkhnjúkar und im Osten von einem
niederen Höhenzug begrenzt wird. Der steile Hang ist so weich, daß mir der Sand von oben in die
Stiefel rieselt. Angenehm für den Abstieg aber im Anstieg eine Sysiphusarbeit.
Immerhin läßt sich dieses Tal auch einigermaßen mit dem Kartenbild
in Übereinstimmung bringen. Über den festeren Sand des Talbodens wandere ich zu der passartigen
Öffnung des Tales im Nordosten. Links oben wilde Felsformationen und im Talgrund große, sandgestrahlte
Blöcke. Reichlich müde verlasse ich die Berge und meine Füße sind
froh wieder auf die Piste zu kommen. Trotzdem: mein interessanter Abkürzer hat mir etwa 5 - 6 km gespart.
Noch etwas schlafträge koche ich mir mein Abendessen und raffe imch zu einem Abendspaziergang auf.
Eigentlich möchte ich die Ruine des Unterschlupfes des berühmeten Geächteten Fjalla Eyvindur suchen,
aber das Kärtchen der
Naturschutzbehörde ist so vage, daß ich sie nicht finden kann (tatsächlich ist sie ein gutes Stück weiter
nördlich). In der Ferne beobachte ich auf der Piste fährt einen Wagen der extrem langsam nach Norden fährt.
Etwa auf Höhe meines Zeltes bleibt er kurz stehen, fährt dann noch ein kurzes Stück weiter, kehrt um
und prescht, eine lange Staubfahne hinter sich herziehend, nach Süden zurück. Landveršur auf Kontrollfahrt?
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