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Um 6:00 Uhr ein Blick nach draußen - dichter Nebel - sehe gerade mal die Hütte. Schlecht! Auf
dieser Tagesetappe brauche ich gute Sicht. Umgedreht und weitergeschlafen. Um 8:00 Uhr sieht es
schon etwas besser aus. Vom Westen ziehen zwar immer noch "bodennahe" Wolken her, aber über
dem nahen Eis im Osten leuchten ein paar Sonnenflecken. Ist der kalte Luftstom vom Vatnajökull
herab so trocken, daß er die Wolken am Gletscher einfach auflöst? Eigenartiger Anblick.
Aufbruch erst um 10:00 Uhr. Nach kurzem Weg auf einer recht gut eingefahrenen Piste erreiche ich
den Mast der automatischen Wetterstation, deren Daten auch halbstündlich in Internet eingespeist
werden. Wenig später ein paar Balken. Sind das die Überreste einer inzwischen abgerissenen älteren
Hütte? Die Position stimmt mit dem in der 100.000er Karte eingezeichneten Hüttensymbol besser
überein, als die neueren Hütten. Die vorher noch deutliche Piste zerfasert sich in eine Vielzahl von
alten Fahrspuren. Die niederen Wolken verdecken die Berge im Westen und die Genauigkeit der
Karte läßt einiges an Auslegungsspielraum zu. Zudem hat sich wohl auch der Eisrand seit der
Kartenaufnahme zurückgezogen. Die Fahrspuren sind vollends verschwunden und vor mir liegt ein
Bach, der nicht zur Karte paßt. Nicht weiter ungewöhnlich, also gefurtet und meinen nächsten
Wegpunkt Richtung Norden angepeilt. Am Fuß des steilen, felsigen Berges, schräg links, müßte ich
ihn erreichen. Nun, der Verlauf des Tales, dem ich folgen muß ist klar, also muß ich nicht zum
Wegpunkt am Berg sondern halte ich mich mehr in der Talmitte. Aber Entfernungen schätzen im
Hochland ist immer sehr schwierig, da es kaum Vertrautes gibt, das als Maßstab herhalten könnte. Die
nächtes Kontrollmessung ergibt, daß mein Wegpunkt wohl jensteits der zwar nur etwa 100 m hohen,
aber dafür um so steileren Bergkette liegt. Ich bin also ein Talzug zu weit östlich, und das was ich als
die Bláfjöll angesehen habe, ist der Jökulgrindingur. Nicht weiter schlimm, denn so habe ich einen
einmalige Blick auf den nahen Eisrand des Vatnajökull. Das Tal steigt nach Norden in einer steilen
Stufe an und ich muß mir erst mal einen Weg über das grobe Blockwerk suchen. Links am
Berghang schöne Pillowlaven, wie aus dem Lehrbuch der Geologie. Oberhalb der Stufe liegt eine
Verebnung mit einem Felsblock von Garagengröße. Rechts ein Gletscherbach, der die niedere
Moräne durchbricht und dahinter die flache, schmutzigblaue Eisrampe des Vatnajökull. Der
Höhenzug links ist nun schon bedeutent niedriger und der Karte nach müßte ihn ein Stück weiter ein
weiterer Gletscherbach durchbrechen. Dieser Durchbruch bedeutet zwar eine weitere Furt aber
schließlich komme ich damit ins "richtige" Tal.
Mittagspause nach der Furt. Etwa in Talmitte finde ich eine alte, verwaschene Fahrspur. Dieses Jahr
ist hier sicher noch niemand gefahren. Ab und zu ist ein Fußabdruck und den Einstich eines
Treckingstockes zu sehen. Die Spuren führen nach Norden, also können sie nicht von Karl stammen.
Der späte Aufbruch und der Verhauer haben viel Zeit gekostet. Der Grindakvísl ist ein Gletscherbach
und führt jetzt am Nachmittag ordentlich Schmelzwasser. Da der steile Hang links keinen Platz mehr
läßt wechselt die Fahrspur auf die andere Bachseite. Also Furten. 300 Meter weiter das gleiche Spiel
in der anderen Richtung (gut knietief). Die alte Fahrspur verschwindet unter einem Altschneefeld am
Hangfuß und die Fußspur ist nirgends mehr zu entdecken. Langsam drückt der Nebel von Westen
her wieder über die Bláfjöll. Am Nordende des Höhenzuges ein einzelner Markierungspfahl an
einem Abzweig nach Westen. Im Osten immer noch ein heller Streifen, der den Gletscherrand, von
dem ich mich inzwischen ziemlich entfernt habe, andeutet. Endlich schwenkt die Fahrspur wieder nach Osten
auf den Sylgjufell zu. In einem Sonnenstrahl leuchtet kurz etwas auf, was nur die alte Skessúskjól
Hütte sein kann. Noch 4 km! Auf dem harten Untergrund des Lavafeldes verliere ich immer wieder
die kaum mehr sichtbare Fahrspur. Schließlich mache ich mir keine Mühe mehr nach ihr zu suchen denn
mein Ziel liegt klar voraus am Fuß des Sylgjufell. Nur, ob ich es erreichen kann hängt davon ab, ob
ich eine Furt durch den Gletscherfluß Sylgja finde - das erste wirklich große Fragezeichen auf
dieser Tour.
Es ist jetzt gegen 18:00 Uhr und damit so ziemlich die schlechteste Zeit, einen Gletscherfluß nahe
dem Eisrand zu furten. Einige Zeit gehe ich am Ufer entlang und betrachte mir die wenig einladenden
braunen Fluten. Es gibt nur eine Stelle, an der ich es versuchen kann - sonst muß ich bis morgen Früh
warten. Sichere die Bergschuhe extra hoch und fest am Rucksack, ebenso die Phototasche auf
Brusthöhe. Hüft- und Brustgurt sind diesesmal nicht geschlossen und die Stöcke voll ausgefahren.
Das Wasser ist schmutzig, undurchsichtig und eiskalt. Die erste Hälfte geht ganz gut, aber dann
kommt der Stromstrich. Das Wasser hat enorme Kraft und schwappt mir bis in den Schritt. Ohne die
Stöcke hätte ich keine Chance das Gleichgewicht halten zu können. Nach vorne schauen, sondieren und zügig weiter. Endlich drüben.
Nach der Furt wieder mal indianermäßig nach der Fahrspur gesucht und sie auch gefunden. Erreiche
gegen 19:30 Uhr die alte Skessjuskól-Hütte. Die schachtelartige Hütte ist zwar nicht abgesperrt aber
der einzige Raum sieht ziemlich unbewohnbar aus. Im Internet fand ich den Kommentar: "voller
Müll". Reste der Wandverkleidung, Fetzen des Isoliermaterials, Glassplitter, Staub und Dreck. Sonst
leer bis auf einen einzelnen Stuhl, der sogar noch funktionstüchtig aussieht. Ein Wunder, daß das
Dach noch nicht in einem Sturm wegeflogen ist. Die dicken Stahltrossen an den vier Hausecken
haben das wohl bisher verhindert. Baue mein Zelt unterhalb der Hütte, in etwas Respektabstand zum
nächsten Fluß aus der die Hraungil herunterkommt. An einem Platz mit feinem aber festen Sand
zeigen Steinreihen, daß hier schon mal jemand gezeltet haben muß und seine Heringe beschwert
hat. Hole mir Wasser vom Bach und filtere das Gröbste ab. Aber Gletschertrübe geht durch jeden
Kaffeefilter und müshsam gewinne ich so etwa einen Liter. Bin mit dem Ergebnis nicht zufrieden und
versuche in einer Schlucht, etwa 1 km weiter südlich Wasser zu finden, denn dort glaubte ich einige
Schneereste gesehen zu haben. Na also - werde auch fündig. Der Sand kann sich absetzen und
ansonsten ist das Wasser viel klarer. Ein ungetrübtes Abendessen ist gesichert.
An den Aufzeichungen bis mir gegen 22:30 Uhr die Augendeckel zu schwer werden - war ein
anstrengender Tag.
Jökulheimar
Hraungil
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12. Tag Hraungil - Leynidalur