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Kurz nach 5 Uhr aufgewacht, Regen! Während dem Frühstück hört er jedoch wieder auf. Frühstart
um 7:15 Uhr. Scharfer Ostwind und schon nach 20 Minuten setzt der Regen wieder ein. Der Weg führt
jetzt nach Norden, damit kommen Wind und Regen nun von der Seite. Ich mache nun doch alles regensicher.
Es scheint dieses Mal kein Schauer zu sein, der bald vorübergeht. Die Phototasche ist allerdings schon
ziemlich naß geworden. Die Kapuze läßt nur noch einen Sehschlitz frei und langsam saugen sich die
Handschuhe voll. Wenn ich eine Faust balle, dann trieft das Regenwasser aus ihnen heraus, aber
trotzdem habe ich warme Hände. Das Faserpelzmaterial ist erstaunlich. Eine Pause zu machen lohnt
sich nicht. Zur Erholung wende ich den Rücken gegen den Wind und klemme die Skistöcke unter den
Rucksack. Gegen den Durst habe ich ein vielleicht ungewöhnliches aber naheliegendes Mittel
gefunden: ich sauge mir das Wasser einfach aus den Handschuhfingern. Immer wieder treiben mich
Sturmböen über die halbe Wegbreite. Es zerrt am Rucksack und der Regenüberzug knattert. Ich
setze die Skistöke weit seitlich um das Gleichgewicht zu halten. Jetzt kann GORE-TEX zeigen
was es wert ist. Anorak und Überhose halten dicht, aber irgendwie beginnt die Feuchtigkeit ganz
langsam einen Weg in die Bergschuhe zu finden. Es wird mühsam und meine Stimmung nähert sich dem
Sarkasmus. 21 Kilometer sind es vom Bergvatnskvísl bis nach Laugafell. Dort gibt es eine kleine Hütte
und eine heiße Quelle (Laugafell = Bad-Berg). Beides alleine schon ein Grund möglichst bald dorthin zu
kommen. Also durch und weiter!
Nach etwa 8 Kilometer erreiche ich das Tal des nach Norden fließenden Jökulkvísls. Auf halber Höhe
dem Talverlauf folgend ist der Weg etwas durch die Hügelkette der Háöldur ("hohe Wellen") vor dem
Wind geschützt. Etliche kleine Bäche sind zu überschreiten. Das Wasser quietscht inzwischen in den
Socken. Ich hasse nasse Füße! Nicht dran denken, durch das Laufen bleiben sie wenigsten warm. Zwei
Furten zwingen mich dann doch den Rucksack abzusetzen. Die Socken sind doch nicht ganz so naß wie es
den Anschein hatte. Das wichtigste ist nur, daß ich mir keine Blasen laufe. Erste Begegnungen mit
Fahrzeugen, Allradwagen und ein Geländemotorrad mit Seitenwagen. Fahrer und Schmiermaxe konnten gerade
noch andeutungsweise zurückwinken, da die Piste hier ziemlich holprig wurde. Sie werden am
Bergvatnskvísl Probleme bekommen, da wird der Seitenwagen wohl zum U-Boot. (Ich traf das Gespann auf
meiner Rückfahrt nach Reykjavík an einer Tankstelle wieder. Sie mußten am Bergvatnskvísl alles abladen
und lange warten bis ein zweites Fahrzeug kam das ihre Querung beobachten und im Zweifelsfall auch
helfen konnte) Weiter, es macht keinen Spaß, aber solche Etappen gehören wohl dazu.
Die Piste verläßt das Tal des Jökulkvísls über einen Einschnitt des Höhenrückens nach Nordosten. Der
Anstieg ist steil und steinig. Wie durch ein Wunder beginnt der Regen nachzulassen. Auch der Wind hat
etwas an Stärke verloren. Von der Höhe ist über das Tal des Laugakvísl hinweg die Hütten von Laugafell
zu erkennen. Der Laugakvísl muß zwar gefurtet werden aber es will dazu sogar die Sonne kurz herauskommen.
Es ist 13:30 Uhr als ich in Laugafell ankomme, 21 Kilometer in 6 Stunden, kein schlechter Schnitt für
diese Verhältnisse.
Die Hütte des Hüttenwartes ist nicht größer als ein Wohnwagen, wobei ein großes Bett schon fast den
meisten Platz einnimmt. Drei Personen leben hier die Sommermonate über. Er bedauert, daß er mich
nicht hereinbitten kann, da schon zwei Personen zu Besuch sind. Drüben, in der Hütte beim Bad, könnte
ich allerdings meine Sachen trocknen. In Ordnung, aber erst baue ich mein Zelt auf einer auffallend
saftigen Wiese auf. Der Sohn der Hüttenwartes kommt und hilft mir dabei. Das Zelt steht gut im Wind
und die Heringe sitzen fest im Boden.
Laugafell
Zuerst bin ich allein, dann leistet mir der Sohn des Hüttenwartes Gesellschaft, später kommt noch ein
älterer Österreicher dazu der mit seinem Wohnmobil unterwegs ist. Später trifft noch eine Reitergruppe
ein. Deutsche und Schweizer, sie sind mit 90 Pferden und einem Begleitfahrzeug vom Mżvatn nach
Skagafjöršur unterwegs. Nachdem sich der Pool sich zunehmend bevölkert ziehe ich mich zurück. Nach drei
Stunden bin ich auch genügend eingeweicht und sauber, habe aber einen Höllenbrand. Der Segen wird zum
Fluch, denn es ist erstmal nirgends kaltes Trinkwasser aufzutreiben. Aus jedem Wasserhahn fließt nur
Warmwasser. Oberhalb der Zeltwiese finde ich schließlich einen kleinen Bach mit kühlem Wasser.
Eine Abendbeschäftigung indessen bleibt noch: die Bergschuhe weit geöffnet über die Flamme des
Gaskochers halten und trocknen. Es ist zwar langwierig aber es hilft, man muß nur aufpassen daß einem
nichts ankokelt. Nach dem Abendessen und etwas Ruhe nehme ich noch mal ein Bad. Nette Unterhaltung mit
einem jungen isländischen Paar und einer Schweizerin die zur Reitergruppe gehört. Plaudernd sitzen wir
bis 22:30 Uhr im Pool. Der Himmel ist immer noch bedeckt, ab und zu jagt ein Regenschauer über unsere
Köpfe. Müde krieche ich in das Zelt und mache noch die abendlichen Aufzeichnungen. Es stürmt und regnet
erneut. Ich bin mir im Unklaren darüber was ich morgen machen soll. Weiter, oder noch einen Tag bleiben
und "abwettern"? Erst mal schlafen - das Wetter wird dann morgen Früh für mich entscheiden.
Dann schnappe ich mir Handtuch und Badehose und ziehe mich in der mit Warmwasser beheizten Umkleidehütte
um. Meine Bergschuhe stelle ich umgedreht über einem Heizungsrohr. Dann kommt der schwierige Teil, denn bis
zum Becken sind es etwa 20 Meter gegen den eiskalten Wind. Das Becken ist etwa 6 Meter lang und 2-3
Meter breit. Die Schmalseite zu Hang hin, wird durch eine locker geschichtete Steinmauer gebildet über
die sich üppiges Gras neigt. Der Boden des Beckens besteht aus Quellsinter und steigt hangwärts an. Dort
ist es zwar flach, aber das Wasser kommt mit 41°C zwischen den Steinen hervor und die Mauer bietet einen
guten Windschutz. Wenn es einem zu heiß wird, dann paddelt man langsam zum anderen Ende, wo der Wind
das Wasser schon deutlich abgekühlt hat. Ein heißes Bad nach diesem Tag, was für ein Genuß! Hier bringt
mich so schnell nichts mehr heraus.