Zurück zu Inhalt

16. Tag, Bergvatnskvísl - Laugafell

Inhalt Home

Copyright © Dieter Graser

Freitag, 29. Juli 1994


Kurz nach 5 Uhr aufgewacht, Regen! Während dem Frühstück hört er jedoch wieder auf. Frühstart um 7:15 Uhr. Scharfer Ostwind und schon nach 20 Minuten setzt der Regen wieder ein. Der Weg führt jetzt nach Norden, damit kommen Wind und Regen nun von der Seite. Ich mache nun doch alles regensicher. Es scheint dieses Mal kein Schauer zu sein, der bald vorübergeht. Die Phototasche ist allerdings schon ziemlich naß geworden. Die Kapuze läßt nur noch einen Sehschlitz frei und langsam saugen sich die Handschuhe voll. Wenn ich eine Faust balle, dann trieft das Regenwasser aus ihnen heraus, aber trotzdem habe ich warme Hände. Das Faserpelzmaterial ist erstaunlich. Eine Pause zu machen lohnt sich nicht. Zur Erholung wende ich den Rücken gegen den Wind und klemme die Skistöcke unter den Rucksack. Gegen den Durst habe ich ein vielleicht ungewöhnliches aber naheliegendes Mittel gefunden: ich sauge mir das Wasser einfach aus den Handschuhfingern. Immer wieder treiben mich Sturmböen über die halbe Wegbreite. Es zerrt am Rucksack und der Regenüberzug knattert. Ich setze die Skistöke weit seitlich um das Gleichgewicht zu halten. Jetzt kann GORE-TEX zeigen was es wert ist. Anorak und Überhose halten dicht, aber irgendwie beginnt die Feuchtigkeit ganz langsam einen Weg in die Bergschuhe zu finden. Es wird mühsam und meine Stimmung nähert sich dem Sarkasmus. 21 Kilometer sind es vom Bergvatnskvísl bis nach Laugafell. Dort gibt es eine kleine Hütte und eine heiße Quelle (Laugafell = Bad-Berg). Beides alleine schon ein Grund möglichst bald dorthin zu kommen. Also durch und weiter!

Nach etwa 8 Kilometer erreiche ich das Tal des nach Norden fließenden Jökulkvísls. Auf halber Höhe dem Talverlauf folgend ist der Weg etwas durch die Hügelkette der Háöldur ("hohe Wellen") vor dem Wind geschützt. Etliche kleine Bäche sind zu überschreiten. Das Wasser quietscht inzwischen in den Socken. Ich hasse nasse Füße! Nicht dran denken, durch das Laufen bleiben sie wenigsten warm. Zwei Furten zwingen mich dann doch den Rucksack abzusetzen. Die Socken sind doch nicht ganz so naß wie es den Anschein hatte. Das wichtigste ist nur, daß ich mir keine Blasen laufe. Erste Begegnungen mit Fahrzeugen, Allradwagen und ein Geländemotorrad mit Seitenwagen. Fahrer und Schmiermaxe konnten gerade noch andeutungsweise zurückwinken, da die Piste hier ziemlich holprig wurde. Sie werden am Bergvatnskvísl Probleme bekommen, da wird der Seitenwagen wohl zum U-Boot. (Ich traf das Gespann auf meiner Rückfahrt nach Reykjavík an einer Tankstelle wieder. Sie mußten am Bergvatnskvísl alles abladen und lange warten bis ein zweites Fahrzeug kam das ihre Querung beobachten und im Zweifelsfall auch helfen konnte) Weiter, es macht keinen Spaß, aber solche Etappen gehören wohl dazu.

Die Piste verläßt das Tal des Jökulkvísls über einen Einschnitt des Höhenrückens nach Nordosten. Der Anstieg ist steil und steinig. Wie durch ein Wunder beginnt der Regen nachzulassen. Auch der Wind hat etwas an Stärke verloren. Von der Höhe ist über das Tal des Laugakvísl hinweg die Hütten von Laugafell zu erkennen. Der Laugakvísl muß zwar gefurtet werden aber es will dazu sogar die Sonne kurz herauskommen. Es ist 13:30 Uhr als ich in Laugafell ankomme, 21 Kilometer in 6 Stunden, kein schlechter Schnitt für diese Verhältnisse.

Die Hütte des Hüttenwartes ist nicht größer als ein Wohnwagen, wobei ein großes Bett schon fast den meisten Platz einnimmt. Drei Personen leben hier die Sommermonate über. Er bedauert, daß er mich nicht hereinbitten kann, da schon zwei Personen zu Besuch sind. Drüben, in der Hütte beim Bad, könnte ich allerdings meine Sachen trocknen. In Ordnung, aber erst baue ich mein Zelt auf einer auffallend saftigen Wiese auf. Der Sohn der Hüttenwartes kommt und hilft mir dabei. Das Zelt steht gut im Wind und die Heringe sitzen fest im Boden.

Laugafell
Dann schnappe ich mir Handtuch und Badehose und ziehe mich in der mit Warmwasser beheizten Umkleidehütte um. Meine Bergschuhe stelle ich umgedreht über einem Heizungsrohr. Dann kommt der schwierige Teil, denn bis zum Becken sind es etwa 20 Meter gegen den eiskalten Wind. Das Becken ist etwa 6 Meter lang und 2-3 Meter breit. Die Schmalseite zu Hang hin, wird durch eine locker geschichtete Steinmauer gebildet über die sich üppiges Gras neigt. Der Boden des Beckens besteht aus Quellsinter und steigt hangwärts an. Dort ist es zwar flach, aber das Wasser kommt mit 41°C zwischen den Steinen hervor und die Mauer bietet einen guten Windschutz. Wenn es einem zu heiß wird, dann paddelt man langsam zum anderen Ende, wo der Wind das Wasser schon deutlich abgekühlt hat. Ein heißes Bad nach diesem Tag, was für ein Genuß! Hier bringt mich so schnell nichts mehr heraus.

Zuerst bin ich allein, dann leistet mir der Sohn des Hüttenwartes Gesellschaft, später kommt noch ein älterer Österreicher dazu der mit seinem Wohnmobil unterwegs ist. Später trifft noch eine Reitergruppe ein. Deutsche und Schweizer, sie sind mit 90 Pferden und einem Begleitfahrzeug vom Mżvatn nach Skagafjöršur unterwegs. Nachdem sich der Pool sich zunehmend bevölkert ziehe ich mich zurück. Nach drei Stunden bin ich auch genügend eingeweicht und sauber, habe aber einen Höllenbrand. Der Segen wird zum Fluch, denn es ist erstmal nirgends kaltes Trinkwasser aufzutreiben. Aus jedem Wasserhahn fließt nur Warmwasser. Oberhalb der Zeltwiese finde ich schließlich einen kleinen Bach mit kühlem Wasser. Eine Abendbeschäftigung indessen bleibt noch: die Bergschuhe weit geöffnet über die Flamme des Gaskochers halten und trocknen. Es ist zwar langwierig aber es hilft, man muß nur aufpassen daß einem nichts ankokelt. Nach dem Abendessen und etwas Ruhe nehme ich noch mal ein Bad. Nette Unterhaltung mit einem jungen isländischen Paar und einer Schweizerin die zur Reitergruppe gehört. Plaudernd sitzen wir bis 22:30 Uhr im Pool. Der Himmel ist immer noch bedeckt, ab und zu jagt ein Regenschauer über unsere Köpfe. Müde krieche ich in das Zelt und mache noch die abendlichen Aufzeichnungen. Es stürmt und regnet erneut. Ich bin mir im Unklaren darüber was ich morgen machen soll. Weiter, oder noch einen Tag bleiben und "abwettern"? Erst mal schlafen - das Wetter wird dann morgen Früh für mich entscheiden.