13. Tag, Norðurdalur

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Dieter Graser © 2006

Freitag, 28. Juli 2006


Bin 5 Minuten vor dem Wecker wach. Habe zum ersten Mal auf dieser Tour schlecht geschlafen. Mal war mir zu warm, mal war mir zu kalt. Kam nicht zur Ruhe und habe Probleme, wie berufliche Zukunftsfragen, die Bedeutung von "Integrität und "Arroganz der Macht" unter Politikern und Managern gewälzt. Themen die bei Tag schon schwierig sind und einem bei Nacht so einem Neuarbeitslosen der 50plus-Generation für Stunden den Schlaf rauben können. Eigentlich wollte ich solche Gedanken für die Dauer dieses Islandurlaubes ausblenden. Überlege sogar die Nacht zu beenden um gleich aufzubrechen, aber draußen ist es noch sehr dämmrig und der Nieselregen tut ein Übriges, um diesen Gedanken zu vertreiben. Schließlich gelingt es mir doch wieder einzunicken.

Um 5:00 Uhr weckt mich meine Armbanduhr. Ein Bick aus dem Zelt fällt auf die von der Morgensonne beleuchteten Færneseggjar. Am Himmel ziehen zwar ein paar Wolken, aber ich nehme es als gutes Zeichen. Kurz fällt sogar Sonne auf das Zelt. In Rekordzeit gefrühstückt und im Zelt alles soweit fertig gepackt. Als ich aus dem Zelt krieche, präsentieren sich die Felszacken der Færneseggjar von Wolkenschwaden umzogen. Während ich dabei bin das Zelt abzuschlagen und am Rucksack zu verstauen, drückt Ostwind die Wolken herunter und ich stehe fertig abmarschbereit, in einer Nebelsuppe mit weniger als 200 m Sichtweite. Mist! Intensiver Nieselregen beginnt mich einzunässen. Das ist kein Wetter um eine Bergtour in unbekanntem und weglosem Gelände zu unternehmen. Um 7:15 Uhr steht das Zelt wieder aufgebaut an seinem alten Platz und ich versuche nicht allzuviel Nässe mit hinein zu schleppen.

Færneseggjar
Zwischen 8 und 11 Uhr hole ich bei Wind und Regen den Schlaf nach, der mir in der letzten Nacht gefehlt hat. Habe von einem Schwimmbad geträumt, bei dem die Duschen nicht funktionierten. Soll wohl bedeuten, daß eine reinliche Instanz in meinem Unterbewußtsein meint, es wäre mal wieder Zeit für eine Dusche. Nutze eine Regenpause um erneut Wasservorräte zuholen. Das Wetter sieht nicht nach einer baldigen Besserung aus. Hier, auf meiner Klippe, bin ich sicher. Bis Sonntag müsste ich allerdings "über den Berg", denn dann läuft mein spätester Rückmeldetermin aus. Bis dahin reichen auch meine gestreckten Futtervorräte. Gas habe ich auch noch genug. Und wenn ich jeden Tag genug Gelegenheit zu etwas Bewegung habe, dann rostet mir auch das Kreuz nicht wieder ein.

Björn Larssons Roman "Was geschah mit Inger Andersson" zu Ende gelesen. Gut geschrieben, das Thema aber deprimierend. War die richtige Lekture zur falschen Zeit. Asia Snack Suppe zu Mittag. Dann an den Aufzeichnungen und ein Mittagsschläfchen auf Vorrat. Keine Wetterbesserung. Im FÍ Jahrbuch 1993 "Við rætur Vatnajökuls", welches sich auch mit dieser Gegend hier befaßt gelesen.

Als der Regen nachläßt gehe ich einmal die Klippe rauf und runter. Meine Terrasse ist etwa zwei Fußballfelder groß, hat an ihrem Westrand einen einen 10 - 15 m hohen Felsabsturz, der nur in der Mitte eine Bresche aufweist. Bis zum Eis zieht sich dann eine steiles Geröllfeld an das der Gletscher drei kleine Moränenwälle angeschoben hat. Interessanterweise liegt auch exakt auf der Kante des nördlichen Terrassenteils eine frischer, kleiner, doppelter Moränenwall von etwa 1,5 m Höhe auf anstehendem Gestein.

Gletschertor
Beschließe den Spaziergang auszudehnen und durch die Bresche zum Gletscher abzusteigen und mir das Gletschertor, durch das sich dort offensichlich einer der kleinen Gletscherrandseen entleert hat, anzusehen. Im lockeren Geröll und ohne Rucksack geht das recht zügig. Die alten gestrandeten Eisberge sind ganz schöne Brocken. Einer hat gut die Größe eines Wohnhauses, steht aber nur auf einer vergleichsweise kleinen Grundfläche und hängt nach allen Seiten über - dem trete ich besser nicht zu nahe! Mache ein paar Bilder (Mist! Stativ vergessen mitzunehmen) und 3 Filmsequenzen. Die Eishöhle hat zwar einen hohen Eingang, verkleinert sich aber ziemlich schnell und von ihrem Dach kommt jede Menge Wasser herunter. Ich verzichte auf eine nähere Erforschung. Nehme die Koordinaten und bestimme die Höhe mit 580 m ü.NN. (das Plateau liegt auf 720 m ü.NN).

Irgendwie ist das Wetter eine Spur freundlicher geworden. Zumindest hat es schon eine ganze Zeit nicht mehr geregnet. Hoffnung? Touren dieser Art brauchen Kraft, Ausdauer und immer wieder Geduld. Für den Aufstieg brauche ich eine halbe Stunde. In der Bresche stoße ich wieder auf Spuren des einzelnen Wanderers. Ist er vom Grænalón gekommen? Hat er zu der Gruppe gehört, deren Spuren ich dort fand, oder kam er vielleicht von Süden, von Færines herauf?

20:40 Uhr - zum Abendessen gibt es Flädlesuppe, verlängert mit dem Rest der verbleibenen Spaghettis. Die Eggjar sind fast wolkenfrei, dafür nieselt es wieder. Werde noch ein wenig Isländisch lesen und auf morgen hoffen.


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