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Reykjavík, Gästeheim Jörð, gegen 1:00 Uhr Früh. Habe am Abend meine Reisegruppe,
31 Südtiroler Forsträte zum Flughafen begleitet. Bin
nach langen Jahren wieder mal als Reiseleiter tätig gewesen. Eigentlich nur aus Spaß.
Bisher war mir meine Zeit in Island zu wertvoll um sie mit einer Reisegruppe zu verbringen.
Aber nach 10 Reisen konnte ich gut mal wieder eine Ausnahme machen. Zudem, eine Busladung
Südtiroler Forsträte auf Exkursion ist auch etwas anders als eine "Studienkreuzfahrt" mit
pensioniertem, akademischen Niveau. Nach einer Woche Sprengisandur rauf, Mývatn,
Akureyri, Kjölur runter, Westmännerinseln und Reykjavík kann ich jetzt den langsameren
Gang einlegen. Trotzdem, diese Woche geht mir vom Urlaub ab und so muß ich anstatt
gemütlich mit dem Bus nach Höfn zu schaukeln, den Flieger nehmen um zum Ausgangspunkt meiner
diesjährigen Tour zu kommen. Zum ersten Mal seit einer Woche Wind und Regen. "Zum Abschied" sozusagen. Mein
Gepäckproblem habe ich noch nicht gelöst. Wie soll ich meine Tasche nach Akureyri schicken?
Mein Flieger geht bevor die Gepäckaufgabe am Busterminal öffnet und gestern hatte ich keine
Zeit mehr das zu organisieren.
Der Busfahrer hat mich noch vom Flughafen Keflavík zurück nach Reykjavík und dann mit
seinem Privatwagen zum Gästeheim Jörð gebracht. Dort mein Gepäck noch umgepackt und
bereitgestellt, die Aufzeichnungen begonnen und gegen 01:30 Uhr schließlich ins Bett gekommen. Von der Straße her die üblichen Störungen durch laute Nachtschwärmer. An einem
Sommerwochenende gehört das eben zu Reykjavík. Nur mäßig gut geschlafen und der Wecker
piepst schon um 5:30 Uhr. Schnell einen kleinen Brief an meine Wirtin Erla geschrieben
und sie gebeten die Reisetasche bis zu meinem Rückflug in 3 Wochen doch bitte für mich
aufzubewahren. Das telephonisch bestellte Taxi ist schon nach einer Minute da! Am Flugplatz
von Reykjavík dann erst noch eine Tasse Kaffee als Frühstückersatz. Draußen naßkalt und
heftiger Wind. Der Flug nach Höfn und der Südostküste entlang immer in, oder knapp überhalb einer
dichten Wolkendecke. Außer mir sind auch noch einige schon gestiefelte Reitertouristen an Bord
der Fokker 50. Bei der Zwischenlandung in Höfn bin ich der einzige Passagier mit
Gepäck der aussteigt. Die Maschine startet gleich weiter nach Egilstaðir.
Vor dem Flughafengebäude stehen nur 3 Autos und ein paar Schafe - kein Taxi.
Ich erkundige mich beim Loader, wie ich am besten in die "Stadt" kommen kann.
Kein Problem, ich soll
etwas warten, er kümmere sich schon darum. Der Südostwind treibt
eine einheitlich graue Wolkendecke dicht über dem Boden vom Atlantik gegen die
Küstenberge. Es regnet
fein aber effektiv. Der Angestellte von Air Iceland schließt seinen Schalter -
offensichtlich war das die einzige Maschine heute Morgen - und nimmt mich in seinem
Privatwagen die 3-4 km nach Höfn mit. Ein paar Steinbrocken im Koffer- und Fußraum seines Wagens weisen ihn als Hobbygeologen
aus und schon ist ein Anknüpfungspunkt für ein Gespräch gefunden. Ich erkläre ihm mein
Vorhaben und daß ich von München aus telephonisch zwei Gaskartuschen bei der Shell
Tankstelle im Ort zurücklegen habe lassen. Er fährt mich direkt zu Tankstelle und
erklärt mir, daß es einen Bus (Superjeep) gibt, der täglich von Höfn aus Richtung
Lónsöræfi fährt. Den solle ich nehmen, denn zu Fuß sei es nicht möglich die
Skyndidalsá zu durchqueren. Mit seinem Autotelephon erkundigt er sich schnell nach
der Abfahrtszeit. Alles klar, ich kann dann gleich mitfahren. An der Tankstelle meine
Gaskartuschen abgeholt (420 Kr). Dann bringt mich mein Fahrer noch zum Gebäude der
Touristeninformation am Campingplatz, von wo der Bus abfahren soll. Dieser Service ist
umwerfend. Anruf bei meiner Zimmerwirtin in Reykjavík und bei Annie zuhause in
München. Ursprünglich hatte ich vor per Anhalter oder irgendwie zur Abzweigung ins
Þórisdalur zu kommen, dann nachmittags ganz geruhsam zur Skyndidalsá zu wandern
und mir dort erst einmal den Fluß zu betrachten. Je nach Wasserstand hätte ich die Wahl
gehabt entweder noch am Abend oder am nächsten Morgen zu Furten. In Anbetracht des
schlechten Wetters buche ich die ganze Strecke von Höfn bis auf den Illakambur. Damit
werde ich einen Tag früher an der ersten Hütte sein als vorgesehen. Den dadurch
gewonnenen Reservetag werde ich sicher noch brauchen können. In einem ersten Kleinbus
verstauen sich zwei isländische Familien. Im zweiten finde ich mit einem deutschen
Pärchen Platz. Mit Blick auf die nur mäßig höhergelegten Fahrzeuge bin ich noch der
Meinung, daß die Furt wohl nicht sehr tief sein sollte. Nach längerer Wartezeit dann
schließlich Abfahrt. Erst in ziemlich starkem Regen ein paar Kilometer die Ringstraße
entlang und dann ins Þórisdalur. Die Wolken stauen sich dunkelgrau vor den steil
aufragenden Bergen. Auf einer Weide ein einsames, und wie uns versichert wird,
halbzahmes Rentier. Aber immerhin, das erste, daß ich hier in Island zu Gesicht
bekomme. Bei entsprechendem Wetter wäre hier sicher schön zu Wandern, aber heute ...
Die Jökulsá í Lóni mit ihrem breiten Hochwasserbett, dem Jökulsásandur, ist ein
beeindruckender Fluß. Nach gut 10km gilt es erst einmal die Skýndidalsá zu
furten. Vor der Furt wartet der erste Kleinbus auf uns. Daneben steht ein großer
MAN-Geländelastwagen der Björgunarsveit. Die Ladefläche des Lastwagens ist so
ausgerüstet, daß er zu niedere oder zu leichte Geländewagen huckepack nehmen und über
den Fluß setzen kann. Oder er nimmt sie einfach an die Leine, daß sie nicht von der
starken Strömung abgetrieben werden können. Wir müssen auf den eigentlichen "Superjeep"
warten der von einer früheren Fahrt erst wieder von der Kjarrdalsheiði herunterkommen
muß. Unser Fahrer steigt in den Lastwagen um und sichert die Furt für drei aus den
Bergen kommende Fahrzeuge. Unser Jeep ist auch dabei und wir wechseln das Gefährt -
dieses hat nun erheblich mehr Bodenfreiheit. Zusammen mit den beiden isländischen
Familien wird es ziemlich eng. Die Skyndidalsá führt braunes Hochwasser. Es hat seit 24
Stunden fast ununterbrochen geregnet. Zu Fuß hätte man keine Chance hinüber zu
kommen. Zumindest nicht heute und nicht an dieser Stelle. Der schwere Laster steht
bereit als wir in die Furt einfahren. Trotz seines Gewichtes spürt man deutlich,
wie das Fahrzeug von der Strömung versetzt wird. Aber der Fahrer ist ein Experte
und kennt sein Fahrzeug und den Fluß. Auf der anderen Seite
angekommen warten wir noch auf ein zweites Fahrzeug, was Gelegenheit bietet ein paar
Photos zu schießen. Alles in allem haben wir für die Furt etwa eine Stunde
gebraucht. Dann geht es über eine vogelwilde, steile und enge Schotterstraße die 600 Höhenmeter
zur Kjarrdalsheiði hinauf. Der heftige Wind treibt Regen und dichten Nebel den Hang
hinauf. Einige Passagiere sind froh, daß ihnen dadurch der Blick in die Tiefe erspart
bleibt. Trotzdem werden wir übel herumgebeutelt. Nun ja, lieber schlecht gefahren als
noch schlechter gelaufen. Am Illakambur ist aber endgültig Schluß und es geht nur noch
zu Fuß weiter. Also Regenzeug an, den Rucksack aufgebuckelt, Stöcke eingestellt und
langsam den steilen Abstieg über die Geröllfelder angegangen. Die Sicht ist hinter
dem Kamm besser und ich bekomme einen ersten Eindruck von den wilden Tälern der
Lónsöræfi. Überall auffallend buntes Gestein das der Regen aber in weißliches
Grau verwischt. Im Tal ist schon die Hütte zu erkennen.
Es sind einige Gruppen in beiden Richtungen unterwegs. Nach dem
Abstieg geht es noch den Fluß entlang, hinauf zur Hängebrücke über die Jökulsá. Auch hier
braune Hochwasserfluten und das dumpfe Donnern des Geschiebes. Nach etwa einer Stunde
erreiche ich die Hütte. die schon vom Parkplatz am Illakambur aus sichtbar war. Um die
Hütte herum eine schöne Wiese und niedere Birken. Weiter oben am Hang die alte "Kofi".
Baue mein Zelt zwischen den Birken auf und richte mich ein. Der Anorak ist außen
klatschnaß und innen gut feucht. Koche mir einen Tee und esse einen Müsliriegel.
Ziemlich verspätetes Frühstück. Bin müde und verschlafe herrlich tief den restlichen
Nachmittag beim Tröpfeln des Regens und dem gleichmäßigen Rauschen der nahen
Jökulsá. Zum Abendessen wie immer am ersten Tag Rizi Bizi. In einer Regenpause abgespült.
Die Hütte scheint mit Übernachtungsgästen voll besetzt zu sein. Brauche mich nicht
auch noch dazudrängen. Kann die Ruhe gut brauchen und langsam den Rhythmus wechseln.
Aufzeichnungen fortgesetzt. Werde noch die Lektüre beginnen und hoffen, daß mich der
dreistündige Nachmittagsschlaf nicht aus dem Takt gebracht hat.
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