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9. Tag; Fiskidalur - Kreppa

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Copyright © Dieter Graser

Montag, 10. August 1998

Erholsam geschlafen. Um 6:00 Uhr wie immer der Wecker. Gefrühstückt und gepackt. Das Wetter ist freundlicher als gestern. Immer noch Ostwind aber schwächer und mit Aufhellungen. Als erstes darf ich gleich einmal den Bach furten. Auf der anderen Seite sind die drei Südafrikaner gerade am Aufbruch. Während ich mein Füße trockne und die Schuhe anziehe komm auch der Jenbacher durch den Bach gewatet. Wir halten einen kleinen Schwatz und er erzählt mir wie es ihm gestern erging. Dabei bietet er mir frische Milch an - aber ich habe schon gefrühstückt. Die Milch hat er vom Bauern in Vaðbrekka erhalten - als Gegengeschenk zu einem ordentlichen Stück der schweren Speckseite, die seinen Rucksack belastete. Der Bauer hat ihn dann noch ein Stück mit dem Auto mitgenommen. Im übrigen hat er jetzt ein System gefunden wie er seine Radtaschen am Rucksack befestigen kann - damit ginge es sich jetzt sehr viel komfortabler. Nach der Furt muß er erst noch seine wunden Füße gründlich verarzten, also verabschiede ich mich bis auf Weiteres und mache mich auf den Weg.

der "Jenbacher"

Zum Auftakt führt die Piste etwa 200 Höhenmeter zu einen flachen Paß südlich des Þríhyrningur hinauf. Die Südafrikaner hole ich etwa eine Stunde später wieder ein, wobei ich allerdings ein ordentliches Tempo vorlegen muß. Ich schaffe es auch nur deshalb, weil sie ein Pause einlegen. Dann bleiben wir vorerst zusammen und bilden eine 4er Gruppe. Die Sonne kommt heraus und der Wind schiebt uns an. Die drei gehen wirklich ein gutes Tempo und der Kleinste von ihnen stiefelt los, als hätte er einen permanenten Allrad eingebaut. Pause am Abfluß des Þríhyrningsvatn. Dann durch die Ytramynni, einer auffallenden Pforte zwischen zwei flachen Bergkuppen. Die Landschaft ist nun vollends wüstenhaft geworden und der Wind hat jetzt den Nachteil, daß er viel Sand aufwirbelt. Vor der Einmündung in die F905, der Piste von Möðrudalur zu den Kverkfjöll, kürzen wir schräg über eine weite, weiche Steinpflasterebene an. Mit Erreichen der Piste bin ich wieder auf meiner alten Strecke von 1994 - zumindest für die nächsten anderthalb Tage.

Um 12:30 Uhr kreuzt die Þríhyrningsá wieder unseren Weg und wir nehmen das bevorstehende Furten zum Anlaß erst einmal eine Mittagspause einzulegen. Währenddessen kommt ein VW-Camper am die Furt. Der Beifahrer kurbelt das Fenster herunter und fragt ohne irgendeine weitere Begrüßung oder sonst etwas nur "Isses tief?" Im Reflex verneine ich wahrheitsgemäß, aber dann ärgere ich mich doch über den Stoffel. Hätte sagen sollen "Ja, circa 1 Meter 20 und Riesensteine im Bachbett". Aber was soll's. Nach dem Furten folgt noch ein Allradbus und wir spielen zur Freude der Insassen pantomimisch nach wie sie bei der Überfahrt durchgeschaukelt werden. Großes Lachen und Gewinke!

Begleiter

Danach verabschiede ich mich von den drei Jungs. Inzwischen habe ich ihnen das meiste, was ich über ihre geplante Strecke weiß mitgeteilt und ihnen die wichtigsten Tips gegeben (wo gibt es kein Wasser und wo gibt es wann zuviel Wasser). Ich bin zuversichtlich, die schaffen das mit Kraft und Unbekümmertheit. Für den Rest des Tage will ich eine gemächlichere Gangart einlegen und lasse sie voranstürmen. Aber schon nach 2 km sehen wir uns an der nächsten Furt wieder, denn sie mußten sie durchwaten. Nun sind dabei zum letzten Mal für die nächsten 2 Tage voll aufzutanken. Ich kann ihnen dafür noch vorführen wie man mit Hilfe von Skistöcken über die Steine balancieren und damit trockenen Fußes über den Bach kommt. Auch ich versorge mich noch hier noch mit 5 Liter klarem Wasser für die nächsten Tage. Dann geht es auf die lange, sandige Gerade, genau nach Westen auf den Herðubreið zu. Es regnet zwischendurch mal kurz, aber der Wind wird immer kräftiger und hält den Sand in Bewegung. Bimsstein mag zwar gut gegen die Hornhaut sein, aber nicht für die Augen - also Gletscherbrille und Sturmhaube. Meinen alten Zeltplatz zwischen den mit Strandhafer bewachsenen Dünen lasse ich rechts liegen und trotte weiter die schier endlos gerade Piste entlang.

Fremri Fjallhali

Die drei Jungs sind schon weit voraus verschwunden. Zuletzt waren sie nur noch drei kleine Striche, zwei etwas längere und ein kurzer. Wie es wohl dem Jenbacher irgendwo hinter mir geht? Ein deutscher Landroverfahrer hat uns beim Überholen einen schönen Gruß von ihm ausgerichtet. Ich hadere mit dem Flugsand und mit dem brennenden Füßen. Das hohe Tempo des Vormittags steckt mir in den Knochen und die Durchbeißerei fängt mal wieder an. Kurz vor der Kreppa habe ich einen schönen Platz in Erinnerung. Bis dahin muß ich noch durchhalten. Ein isländischer Geländewagen, ein Fjallabil, kommt mir mit einer großen Staubfahne entgegen. Das Gerät ist hochgebockt bis zum geht-nicht-mehr und hat hinten sogar noch eine Doppelachse. Der reinste Wahnsinn! Endlich habe ich die Ebene hinter mir und komme in das kleine Wüstental am Rand des großen Lavafeldes. Ich erkenne den Hügel mit dem auffallend roten Gestein wieder. Die Sandfahnen pfeifen elendiglich die niederen Osthänge herunter. Das Tal wird enger und felsiger. Die Basaltfelsen sind nur 5 bis 10 Meter hoch und das Tal gleicht eher einer Gasse zwischen Ruinen verfallener Häusern. Da ist auch der Winkel wo damals die Isländer geparkt hatten, die mir einen Morgenkaffee anboten. Schluß aus, für heute reicht es - waren auch an die 30 Kilometer.

Fjallabil

Das Zelt steht bald durch Felsen geschützt auf Bimsteinsand von dem auch gleich eine gute Ladung vom Wind ins Innere gefegt wird - ich bin's gewohnt. Etwas ausgeruht, gekocht und dann die Aufzeichnungen gemacht. Nehme mir vor mich früh in den Schlafsack zurückzuziehen. Muß aber vorher noch einmal raus. Der Wind hat deutlich nachgelassen und es verleitet mich doch noch zu einem kleinen Spaziergang zur nur wenige hundert Meter entfernten Kreppabrücke. In den alten Strudellöchern in den Lavafelsen nahe dem Fluß findet sich wie bei letzten Mal klares Regenwasser. Der Fluß selbst tobt an der Brücke durch eine Engstelle mit senkrechte Seitenwänden. Was für ein Fluß! Graubraunes Gletscherwasser, selbst wenn man leichter an es herankäme, wäre es wohl kaum ein Genuß es zu trinken. Herðubreiðarlindir, die Oase am Fuß des Herðubreið liegt nur etwa 7 km nordwestlich der Kreppabrücke. Dazwischen liegt aber die noch gewaltigere Jökulsá á Fjöllum und die einzige Brücke über diese ist etwa 25 km weiter im Süden. Also noch 2 strenge Tage zu Gehen. Setze mich auf einen erhöhten Felsen und betrachte lange die friedliche Abendstimmung. Sonnenuntergang hinter dem Herðubreið um 21:45 Uhr. Etliche Photos gemacht. Trotz des gedämpften Rauschens der Schmelzhochwasser führenden Kreppa ist in das Hochland Ruhe eingekehrt. Die nun von unten rötlich beleuchteten Wolken scheinen fest am Himmel zu stehen. Kein Sand fegt mehr in Stößen über die grauen Steine - der Wind hat sich gelegt.


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10. Tag Kreppa - Jökulsá á Fjöllum