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Mið-Bergvatnsá
Gegen Mittag breche ich Richtung Grænalón auf. Es wäre schön heute den Zeltplatz am Grænafjall zu erreichen, dort zu
übernachten und morgen wieder zurückzukommen.
Nur ein langer Höhenzug trennt mich von dem Gletschersee. Beim Aufstieg komme
ich auf eine breite, flache Terrassenebene. Ein kleiner Bach wird zu einem unerwarteten Hindernis. Schon mit Annäherung an
das Bächlein wird der Boden weich und nach etwas stochern mit dem Trekkingstock versinkt dieser haltlos im Untergrund:
Quicksand. Vorsicht also! Ein zweiter Anstieg bringt mich auf den Höhenzug und unter mir liegt der Grænalón und seine
mächtigen Sedimentterrassen und der Eiskante des Skeiðarárjökull. In der Ferne kann ich erkennen, dass auf dem Zeltplatz am
Grænafjall ein helles Zelt steht. Komme bald wieder auf meine alte Route von vor vier Jahren, steige auf ihr Richtung See
ab und erreiche die weiten Sandterrassen. Das erste breite Bachtal, das ich vor vier Jahren furten musste, ist troken. Da muss
sich wohl etwas am Zufluss geändert haben. Die Stelle an der ich die große Furt über die Grænalónsjökullsá, dem Zufluss zum See,
geschafft hatte bietet eine Überraschung. Da wo ich damals nur 2 - 3 m zum Gletscherfluss hinunter kommen konnte, stehe ich
nun an einer hohen Abbruchkante. Das Tal hat sich tiefer eingeschnitten, was nur als eine Folge einer Seespiegelabsenkung
geschehen sein kann. Finde sechs Fußpuren im Sand und folge ihnen Richtung See hinaus. Dort muss die Abbruchwand aus
instabilem Sand ja zwangsläufig niedriger werden. Auch der der Fluss gefällt mir gar nicht. Sein Wasser ist dunkelbraun und die
Strömung ist beängstigend stark. Das warme Wetter sotgt für jede Menge Schmelzwasser. Wie zur Bestätigung wälzt die Flut einen
großen Eisbrocken mit sich. Wie groß er ist, kann ich kaum abschätzen - hier fehlt jeder Vergleichsmaßstab. Ich kann nur
hoffen, dass alles größer aussieht als es in Wirklichkeit ist.
Schließlich erreiche ich die Stelle, an der Uferböschung niedrig genug ist und die Fußspuren zum Fluss hiuntergehen. Haben
die gestern gefurtet? Ich mache mich für ein "ernste" Furt bereit und starte einen ersten Versuch. Das trübe, undurchsichtige
Gletscherwasser ist flacher, als vermutet und so komme ich gut durch die ersten 20 m bis zum ersten Stromstrich. Das Wasser
dort knietief aber die Strömung ist derartig stark, dass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten kann. Zurück! Ein zweiter
Versuch weiter flussab endet mit dem gleichen Ergebnis. Kaum komme ich in die richtige Strömung, so ist diese schon zu strak -
und dabei bin ich erst ganz am Anfang der Querung! Nein, hier und heute geht das nicht. Ich breche ohne Reue ab. Was nun?
Ich ändere die Planng und werde also nicht am Grænafjall übernachten. Da müsste ich auch am nächsten Morgen den selben Weg
durch die Furt wieder zurück. Also werde ich den "Standardroute" nach Süden zur Núpsá nehmen. Diese Route führt über den Pass,
der Anfang des letzten Jahrhunderts noch der Hauptabfluss des Grænalóns war. Das bedeutet, der Seespiegel war damals etwa
150 m über dem heutigen Niveau! Wenn man heute unten am See steht so ist diese Situation kaum vorstellbar.
Graenalón
Warte
Schneehuhn
Gelege
Badegumpen
Anmerkung:
Grænalón 2012
Die Sonne brennt auf's Zelt und weckt mich. Ein perfekter Morgen! Klarer Himmel und kaum ein Hauch von Wind. Habe schnell das
Bild von Zelt, Bach und Gletscher nachgeholt, das ich schon seit meiner Ankunft gestern im Hinterkopf habe. Werde heute
Morgen den Bach weiter nach Norden und Süden erkunden. Der Bach wird überwiegend von Grundwasser gespeist und hat
dadurch einen fast ausgeglichen Abfluss ohne größere Wasserstandsschwankungen. Daher gibt es auch kein Hochwasserbett. Meine
Erkundungsgänge ergeben auch diesmal keine Spur der heißen Quelle Guðlaug.
Bevor ich aufbreche braucht erst einmal das GPS neue Batterien, denn im Trakking Mode frisst es Strom. Nach dem
Austausch bekomme einen richtigen Schreck: die Topo-Karte von Island wird nicht mehr angezeigt. Ich checke das Gerät durch und
entdecke, dass ich beim Batteriewechsel versehentlich die Speicherkarte entriegelt habe. Uff - da muss man erst mal drauf
kommen! Andererseits, wenn ich so meine Position im GPS anschaue, dann laufe ich gerade weit im Wasser des Sees - genauer: da
wo mal der See war. Was mit mehr Sorgen macht, sind die Toteislöcher und die Absackungen im Sand es ehemaligen Seebodens,
die auf verborgenes und langsam tauendes Eis hinweisen, was zu instabilen Hohlräumen führen kann.
Das Seeende ist schnell umrundet und nach einer der Querung der Mündung einer bedeutenderen Schlucht, die vom Berg
herunterzieht, mache ich mich an den Austieg. Bei einer Steinwarte mache ich Brotzeit. Es ist 15:00 Uhr und seit dem
Frühstück habe ich nichts mehr gegessen. Spendiere der Warte noch einen schönen dreieckigen Abschlussstein. Weiter oben am Hang
sind in einer schönen, zweiten Warte, die offensichtlich einen Vermessungspunkt markiert, zwei große Osbsidianbrocken
verbaut.
Am Pass der einmal der Abfluss des Grænalóns war, bleibe ich westlich eines kleinen Sees und dann auch auf der
westlichen Talseite unterhalb des Núpsártangi. Nach dem Anstieg geht es leicht und entspanned bergab nach Süden. Ich bin
in Gedanken und schrecke auf, als direkt vor meine Füßen ein Schneehuhn mit laut klatschenden Flügeln emporsteigt. Ich weiß
nicht, wer mehr erschrocken ist, das Schneehuhn oder ich. Wahrscheinlich ich, denn das hervorragend getarnte Schneehuhn
saß bis zum letzten Augenblick auf seinem Gelege, in das ich beinahe hineingetreten bin.
Puhhhh - das ist noch einmal gut gegangen. Das besorgte Schneehuhn hat sich nicht weit von seinem Nest entfernt und ich
erwische es noch mit dem Teleobjektiv. Weiter geht es nun neben einem kleinen Bach, der sich fast im Talgrund verliert. Bald
wird das Tal steiler und der Bach verschwindet über einen klaren Wasserfall, den ich nicht überklettern kann, in einer Klamm.
Also etwas zurück und die Stelle am rechten Talhang umgangen.
Wenig weiter sehe ich im wieder geweiteten Talgrund einen schöne Stelle für das Zelt. Es ist 18:00 Uhr und es reicht mir für
heute. Als das Zelt steht und eingerichtet ist, schnappe ich mir das Handtuch und gehe zur nächsten Engstelle der Schlucht.
Und richtig, auch hier gibt es einen schönen kleinen Wasserfall mit einem Badegumpen. Leider liegt schon der Schatten zwischen
den Felswänden, aber das Wasser ist erstaunlich warm. - Pah! Was brauche ich einen Hot Pot? Zurück im Zelt Abdendessen gekocht
und an den Aufzeichnungen.
Auf der Tour 2012 erreichten wir die Sandebene des Grænalóns auf dem gleichen Weg. Wie befürchtet hat sich der See in den
vergangenen zwei Jahren noch weiter verkleinert und der Zufluss sich entsprechend weiter eingetieft. Der See bestand 2012 nur
noch aus einem Teil, der direkt der Eiskante vorgelagert ist. Seine Fläche hat sich in den zwei Jahren grob auf ein Viertel
verringert. Auf dem freigelegten, flachen Seeboden hat sich ein großes, weitgefächertes Flussdelta ausgebildet. Eine Querung
des Zuflussen war am Beginn des Deltas gefahrlos möglich. Dort transportiert der Gletscherfluss aufgrund seiner Fließgeschwindigkeit noch
gröberen Kies oder ablagert lagert ihn, somit ist die Gefahr des Einsinkens in Quicksanden verringert.
Luftbilder aus dem Jahr 2013 zeigen, dass der See im folgenden Jahr noch weiter geschrumpft ist.
Das Furten war an dieser Stelle 2012 dann problemlos möglich. Das Gletscherwasser im Fluss war zu diesem Zeitpunkt maximal
knietief und die Furt 550 m breit. Wir erreichten den Zeltplatz auf der obersten Seeterrasse am Graenafjall und bleiben dort
für zwei Nächte, bevor wir bei bestem Wetter den Skeiðarárjökull Richtung Sorðurdalur und Skaftafell überquerten.