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14. Tag; Versalir - Hámırar

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Copyright © Dieter Graser

Donnerstag, 8. August 1996


Um 5:30 Uhr auf und kurz nach draußen gegangen. Der Wind kommt nach wie vor von Ost, ist aber deutlich schwächer geworden. Tiefe, aber uneinheitliche Wolkendecke. Zum Vatnajökull hin und über ihm helle Löcher, sonst teilweise tief blaugraue Wolken mit weißlichen Schauerfahnen. Kaum zurück im Zelt, scheißt mir doch - Klaaaatsch - ein großer, unfreundlicher Vogel aufs Zelt. Also sofort wieder raus und gründlich abwaschen. Frühstück dann ohne Eile. Es gibt nichts was mir davonläuft und nichts was mich einholen könnte.

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(71 KB)Kvíslavatn

Aufbruch um 8:00 Uhr. Nach 10 Minuten wieder auf der Piste. Am ersten Staudamm des Kvíslavatns nehme ich die Straße über die Dammkrone anstatt die in einem weiten Bogen nach Westen ausholende Piste. Fehler! Nach 2 Kilometer ist nicht nur der Damm sondern auch die Straße zu Ende. Ein knapper Kilometer querfeldein nach Westen führt mich wieder auf den richtigen Weg. Der anfänglich noch schwache Wind ist nun vollends eingeschlafen. Der Himmel sieht still aber bedrohlich aus. Alles in dunkeln Abstufungen von Grau und Blau, aber über dem Vatna steht immer noch die Föhnlücke. Im Norden und Süden ziehen in Staffeln die Schauer durch, aber außer ein paar Tropfen bekomme ich nichts ab.

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(71 KB)Vor dem Hofsjökull

In einer Entfernung von 8 - 10 km laufe ich die "Schaufensterauslage" des Hofsjökulls ab. Anfangs hält er sich noch etwas bedeckt aber später geben ihn die Wolken ganz frei. Die Kerlingerfjöll liegen schon links hinter mir und schicken schöne Wellenwolken Richtung Kjölur. "Reger Autoverkehr" - es ist immer das selbe Fahrzeug der Órkustofn (Energiebehörde). Zwei Arbeiter kontrollieren die Pegel an den fast trockenen Flußläufen unterhalb der Staudämme. Die Dämme als Gewichtsstaumauern konzipiert, bestehen aus großen Basaltblöcken und sind nur zur Wasserseite hin abgedichtet. Eine Zunahme des Abflusses läßt auf ein beginnendes Leck im Damm schließen.

Ein zweites Fahrzeug überholt mich und hält an. Der Fahrer verwickelt mich in ein Gespräch auf Isländisch. Er will alles ganz genau wissen. Erst später schaltet er um auf Englisch. Er empfiehlt mir doch mal die Tour über die Lónsöræfi in Ostisland zu machen, die soll phantastisch sein.

Die Straße ist gut aber oft geht es ewig nur geradeaus. Der weite Ausblick auf die Gletscher nach West und Ost entschädigt für den fürchterlichen Hatscher. Direkt vor mir, den Nordrand des Vatnajökull verdeckend, das isolierte Massiv des Tungnafell. Kaum zu glauben, daß ich da morgen Abend sein will, es scheint noch so weit dahin! Wenigstens macht das Wetter mit. Es macht immer mehr auf und um 15:00 Uhr habe ich sogar Sonne! Jawohl - richtige Sonne. Das einzige was stört ist der ferne Lärm von Baumaschinen. Ich nähere mich langsam meinem Tagesziel und komme in einer Baustelle mit riesigen Erdbewegungen. Ein neuer Damm wird gebaut und ein breiter, tiefer Kanal wird ausgehoben. Große Planierraupen sind am Hreysiskvísl dabei die letzte Hochlandoase vor dem zentralen Sprengisandur zu zerstören. Jeder Tourist wird darauf hingewiesen wie wertvoll, empfindlich und gefährdet die Vegetation im Hochland ist und man hat schon ein schlechtes Gewissen wenn man sein Zelt irgendwo aufstellt und hier wird diese Vegetaion gleich Quadratkilometerweise vernichtet. Es ist zum Kotzen! Für die Arbeiter gibt es eine Containersiedlung mit einem Hubschrauberlandeplatz. Ich frage mich nur, wie ich über den neuen Kanal kommen soll. Die 1 : 250.000er Aðalkort nützt mir hier überhaupt nichts mehr, eher schon das Kärtchen aus Jahrbuch der FÍ. Tatsächlich aber führt mich ein Wegweiser "Nýidalur" durch die Baustelle, über einen Damm und über den Kanal, der nur für diesen Übergang noch nicht durchstoßen ist. Wird hier in Zukunft eine Brücke stehen? Ich nehme es an, denn der Kanal wird nicht zu furten sein.

Es war ein langer Tag mit vielen Kilometern und ich bin ziemlich am Ende, aber hier ist kein Bleiben. Noch 1 - 2 km weiter müssen etwas weiter östlich die Háumýrar (hohe Moore) liegen, die letzte Möglichkeit zu gutem Wasser und zu einem komfortablen Zeltplatz zu kommen. Nördlich der Baustelle ist die Piste nurmehr eine Farspur. Ich verlasse die Piste nach Osten, um zu sehen, ob hinter dem flachen Rücken vielleicht doch noch die Háumýrar liegen, oder ob sie inzwischen auch schon umgegraben und eingestaut sind. Na also, eine breiter, flacher Bach, Þúfur-Buckel und vergleichsweise reichlich Grün. Der Bach ist sandig und man muß etwas vorsichtig sein. Quicksand? Bei jeden Schritt den Fuß nur einmal belasten und zügig weitergehen. Nachdem der Wind am Abend wieder aufgefrischt hat beginnt die Suche nach einem geschützten und trockenen Platz für das Zelt. Da bin ich wählerisch und da kommt es mir auf eine Viertelstunde nicht an. In einer länglichen Vertiefung zwischen den Þúfur finde ich schließlich, was meiner Vorstellung am nähesten kommt. Um 18:00 Uhr steht das Zelt. Etwas schief das Ganze, aber wenn ich die Matte diagonal ins Zelt lege, dann geht´s. Ich will heute bloß nicht mehr auf meinen Füßen stehen müssen! Abendessen und Aufzeichnungen. Das Wetter sieht ganz gut aus - hoffentlich bleibt es so.


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15. Tag: Hámırar - Nıidalur