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Um 6:20 Uhr aufgewacht - Armbanduhrwecker überhört - die innere Uhr funktioniert auch ganz gut und
weiß, daß es heute kein fixes Ziel gibt. Wetter wie gestern Abend. SW-Wind aber etwas schwächer.
6/8 Strat. Cum und noch eine Horde Lenticularis. Das Nordislandwetter ist einfach besser - es lebe der Erfinder des
Föhns! Nach dem Frühstück wird meine Euphorie aber etwas gedämpft, den von Südwesten ziehen
Wolken auf, die mir gar nicht gefallen. Um 8:20 Uhr klinke ich mich wieder in die Wartenreihe ein und studiere nach
Indianerart die Hufspuren und was man aus ihnen wohl lesen kann. Von der Kiðagilsá geht es etwa eine
Stunde stetig bergauf zur Piste. Um diese Zeit ist hier noch kein Verkehr und so folge ich ihr auf 4 Kilometer erst hinauf
zum Kiðagilshjúkur und dann hinunter zu den Fossgilsmosar. Das Wetter hält was es versprach und es
fängt ziemlich schräg an zu nieseln. Aus einiger Entfernung beobachte ich im Abstieg wie sich ein einsamer
Biker gegen Steigung und Wind die Piste hocharbeitet. Nach einem Blick auf seine Ausrüstung spreche ich ihn gleich
auf deutsch an. Er will heute noch bis Nýidalur - na dann viel Spaß. Ich geb noch eine Runde Mineralbonbons
aus, vielleicht hilft´s. Warten des alten Sprengisandsvegur Bevor die Straße einen deutlichen Knick nach Osten macht, quert sie eine Reihe gut und hochgebauter Warten
die den Weg herauf von der Kiðagil markieren. Aha, diese Warten sind also nicht aus der Steinhaufenperiode, hier war
ein wahrer Künstler am Werk. Ich nehme ihre Richtung auf und verlasse die Piste wieder. Diese bleibt die
nächsten 30 Kilometer auf einem Rücken hoch über dem Krókdalur, dem Tal der
Skálfandafljót. Der alte Weg führt dagegen in das versteckte Mjóidalur, in dem es früher
sogar mal einen bewirtschafteten Hof gegeben hat. Es geht nun leicht bergab, bis in einen flachen Talschluß.
Schließlich einen netten kleinen Bach entlang, der sichtlich Mühe hat einen Weg durch die dicken,
grünen Moospolster zu finden. Die Sonne macht mir den Gefallen und läßt das Moos aufleuchten und
das Wasser je nach Reflexion kristallklar oder tiefblau erscheinen. Doch bald hat die Idylle ein Ende, es wird etwas steiler,
die Wassermenge nimmt zu und das Bächlein wird zum Bach. Der Weg, teilweise eine Pferde- dann wieder ein
Schafspur, wird mühsam. Oft steil am Hang entlang, dann wieder tiefe, schmierige Gräben querend, über
grobes Geröll, Sand, aufgebrochene Þúfur. Kaum ein Schritt der nicht volle Aufmerksamkeit fordert.
Wieder die alte Erfahrung, je mehr Vegetation, auch wenn sie nur 20 cm hoch ist, um so schwieriger das Gehen. Am Mittag habe ich den Talgrund des Mjóidalur erreicht und es ist eine längerere Pause fällig. Ich bin
froh, daß ich den Rucksack absetzen kann. Mein Platz in einem moosbedecken Graben ist einigermaßen
windgeschützt und ich beschließe die letzte der Wurstdosen zu schlachten und den Inhalt auf Vollkornbrot zu
verspeisen. Allerdings ist die Wurstdose ganz unten im Rucksack und es beginnt auf das Brot zu regnen. Die Pause wird
also nicht gaz so lang wie gewünscht. Weiter - mit jedem Graben und Hindernis wird die Moral schlechter. Ich glaube
kaum voran zu kommen und das Tal ist fast 25 km lang! Ich bewundere immer wieder die Trittsicherheit der Pferde, wo die
doch keine Skistöcke haben! Nach Karte und Warten gilt es nach ein paar Kilometern die Bachseite zu wechslen.
Der ist inzwischen ein ausgewachsener Wildbach, aber durch das geringe Gefälle hält sich die Strömung in
Grenzen. Kurz vor der Furt kommt erst einmal eine Dusche von oben, die ich resignierend am Bachufer wartend über
mich ergehen lasse. Kann keine 10 Minuten später bei Sonnenschein furten. Gut knietief und nicht einmal besonders
kalt. Sonne und Fußbad haben meine Stimmung verblüffend gebessert. Der Rucksack wird dadurch nicht leichter,
aber es geht wieder voran. Auf der anderen Talseite tauchen die Dächer von zwei Hütten auf. "kofi" ist in der Karte
verzeichnet. Kurz danach muß ich erneut die Bachseite wechseln. An jeder Seite eine Rasenstufe mit
Lehnstuhlcharakter erleichtert die Prozedur des Umrüstens. Nach dem Furten gibt es erst einmal heißen Tee und
Müsliriegel. Es ist 16:00 Uhr, das Wetter hat sich im Laufe des Nachmittags zusehends gebessert und ein paar Kilometer
möchte ich heute noch machen. Zwei Geländewagen arbeiten sich auf irgendeiner schmalen Spur den steilen
Weg zur der Hütte hinunter - zu Fuß wären sie sicher dreimal schneller! Ich gehe weiter talauswärts.
Am Weg ein Schafskelett. Ein Horn ist noch am gebleichten Schädel, darin sind die Initialien "TH" eingeschnitzt.
Aber auch lebendige Schafe tummeln sich in den üblichen Dreierpacks überall an den Hängen. Sie sind
ebenso menschenscheu wie die Graugänse, die sich mit schlecht geölten Schreien über mein Erscheinen
ereifern und mit rauschenden Schwingen zu einem hektischen Rundflug aufsteigen. Etwas am Hang, in einer mit dichter
Heide bestandenen Mulde, baue ich mein Zelt auf. Für heute soll es reichen. Am Bach unten Wasser geholt, dabei
von einem kurzen Regenschauer begleitet, ohne daß die Sonne dabei aufgehört hätte zu scheinen. Am
Zelt angekommen ist es schon wieder trocken. Ich hole die Matte heraus und döse faul, den Duft der Zwergbirkenheide
in der Nase, in der Nachmittagssonne. Das sind Genüße, die weiß man erst nach dem Hochland so richtig
zu schätzen. Nach dem Abendessen noch ein Gang zur letzten Warte und nach Landkartenflechten (Rhizocarpon Geographicum)
gesucht, die einen Rückschluß auf das Alter der Warte zulassen. Um 20:30 Uhr verschwindet die Sonne hinter
dem westlichen Talhang, ich wasche noch schnell ab und nehme mir wieder meine Aufzeichnungen vor.
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20. Tag: Mjóidalur - Mıri