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Der Wecker piepst um 5:20 Uhr - grunz. Es regnet. Döse noch einige Minuten. Ungefrühstückt
packe ich im
Zelt meinen Rucksack. Halb im Liegen stopfe ich meine Habseligkeiten mehr schlecht als recht hinein
und schleppe ihn dann unter das Vordach an der Platzrezeption. Naß wie es ist, wurstle ich noch
das Zelt zusammen.
Werde geade noch fertig bis um 7:15 Uhr der Bus zum BSÍ eintrifft. Wie üblich ist die Fuhre
brechend voll. Vom Busbahnhof BSÍ aus werden sich dann all die unausgeschlafenen Rucksackträger
mit Hilfe der Überlandbusse über die Insel verteilen.
Endlich Zeit das Frühstück nachzuholen. Bei einem Kaffee warte ich auf Jósef und seine Wandergruppe
von Útivist. Jósef ist ein alter Bekannter und arbeitete früher bei der Energiebehörde und nun
beim Wetteramt. Ihn hatte ich auf meiner Sprengisandurtour 1996 unter denkwürdigen Umständen
auf der Fimmvöršuháls-Hütte getroffen. Bei den Vorbereitungen zu meiner diesjährigen Tour war er
mir mit wertvollen, aktuellen Informationen behilflich. Ihm habe ich es auch zu verdanken, daß
ich nun mit seiner Gruppe mit dem Bus zum Ausgangspunkt meiner Tour zur Sveinstindur-Hütte
fahren kann. Bei "Flótt og Gott" haut mich ein junger Isländer um einen "Painkiller" an und ich
gebe eine Runde Aspirin aus. Er hat einen mächtigen Hangover. Vor der Busstation sammeln sich mehr
und mehr wanderwillige Islander und schließlich trifft auch schulterklopfend Jósef ein. Steige doch
fast in den falschen Bus. Plaudere mit einer charmanten Isländerin. Helfe, ganz Gentleman,
noch die Rucksäcke verladen, bis es sich herausstellt, daß sie vom Feršafélag Íslands ist und eine
Wandegruppe über den "Alten Kjalvegur" führt. Schnell zerre ich meinen Rucksack wieder heraus
und verstaue ihn schließlich im richtigen Bus. Werde wohl mit dem knorrigen Jósef vorlieb nehmen
müssen.
Bei Nebel, strakem Wind und Regen Fahrt über die Hellisheiši nach Hveragerši und weiter duch das etwas
freundlichere Südland. Unterhalte mich lange mit Jósef, der mir weitere wertvolle Tips geben kann.
Erfahre von ihm auch, daß es mit dem Ausbau der Hütten auf dem Reykjavegur nicht voraneht. Die
Hütten sind mit dem Geld der Betreibergesellschaft der Geothermalkraftwerke gebaut worden,
gehören aber den Gemeinden. Diese kümmern sich aber nicht richtig darum und eine Einigung und
Zusammenarbeit mit dem Wanderverein Útivist kam auch nicht zustande. Das Ergebnis konnte ich
im letzten Jahr begutachten: die Hütten sind versperrt und nutzlos. Irgendwann brechen irgendwelche
Leute ein und Fenster gehen dabei zu Bruch usw. Frühe Mittagspause in Vík.
Ich schlage mir noch mal den Bauch voll, denn ab jetzt gibt es 3 Wochen Tütenfutter. Kaufe die neue
Fjallabak Karte von Mál & Menning. Habe sie vor 2 Wochen beim Verlag bestellt gehabt, aber das
war wohl zu kurzfristig um sie noch vor dem Abflug geliefert zu bekommen. Vor Kirkjubęrarklaustur
biegen wir nach Norden auf den Fjallabaksleiš ab. Bei der Hütte Hólaskjól wird das Gepäck auf den
Anhäger des Jeeps des Hüttenwartes umgeladen. Er wird es direkt zur Sveinstindur-Hütte
bringen, denn der Bus kan die letzten Kilometer zur Hütte nicht befahren. Ich behalte meinen Rucksack
aber bei mir. Nur mein Futterpacket für die zweite Woche fährt mit dem Jeep.
Wieder gibt mir Jósef während der Fahrt gute Tips über den Routenverlauf zur Hütte am Álftavatnakrók.
Nach Passieren der Eldgjá auf der Höhe des Heršubreišarháls Nebel, Sturm und Regen. Die Blicke
der Wanderer im Bus sind nicht gerade begeistert - meine auch nicht. Eigentlich würde heute noch
die Besteigung des Sveinstindur auf dem Programm stehen. Aber so wie es draußen saut ... Westlich
des Heršubreišarháls biegen wir nach NE ab und folgen der Nżšriófęrá.
Viele kleine Furten, etwas grünes Moos und viel schwarzer Sand. Die Wolken jagen von Süden durch
die Scharten zwischen den Bergkämmen und verhüllen die Gipfel. Jósef und die Gruppe beschließen
auf den Gipfel heute zu verzichten und den Sveinstindur vom Ende des Langisjórs aus zu
umrunden. Ich will direkt zur Hütte gehen und werde an einer mit Pflöcken markierten Route
abgesetzt. "Just follow the stiks to the hut" ruft mit Jósef noch durch den Sturm zu und hüpft
wieder in den Bus.
Karte Sveinstindur
Hütte Sveinstindur
Da stehe ich erst mal im schwarzen Sand und der Regen peitscht mir aus Südost entgegen. Ich
versuche mich wetterfest zu machen. Es ist 14:40 Uhr und ich packe meine Stöcke und schiebe mich
den Pflöcken und der Fahrspur folgend gegen den Wind. Die Kartenkopien sind tief im Rucksack
vergraben, der Kompass ebenso. Wenigstens das GPS ist griffbereit. Aber wie hat Jósef gesagt? -
ich brauche ja nur den Pflöcken zu folgen! Den Fahrspuren nach zu
urteilen bin ich ja auf der Piste, deren groben Verlauf ich im Kopf habe ... so denke ich zumindest.
Aber die Spur biegt mir etwas zu früh nach links in ein enges Tal ab und die Pflöcke führen dann
sowohl nach links, wie auch nach rechts den Hang hinauf. Die Himmelrichtung schätze ich grob nach
dem Wind, aber irgendwie paßt das ganze Tal nicht zu dem Bild der Karte, das ich im Kopf habe.
Toll! Kaum bin ich eine halbe Stunde zu Fuß unterwegs, schon weiß ich nicht mehr wo ich bin.
Willkommen in Island, Dieter! Also höchste Zeit das Satelitenorakel zu befragen! Ich nehme mit
jeweils etwa 400 Meter Abstand eine Position als "Basislinie". Nach dem GPS muß sich
die Hütte 800 m südöstlich von mir befinden. Wie bitte, südlich? Ich hätte sie in nördlicher
Richtung vermutet. Anhand der Richtung meiner Basislinie bestätigt mir, daß ich trotz fehlender
Anhaltspunkte, zumindest das Gefühl für die Himmelsrichtung nicht verloren habe. Also folge ich
den nach rechts abbiegenden Pflöcken und Fußspuren nach Süden den Hang hinauf. In der Scharte
angekommen fallen mich heftige Windböen an. Aber nun habe
ich den Blick hinunter zur Skaftá und ein gutes Stück flußabwärts kann ich die Pegelhütte
erkennen. Von der Sveinstindur-Hütte ist aber nichts zu sehen. Allmählich ahne ich, wo ich
mich befinde und kann meine Position auch auf der imaginären Karte in meinem Kopf einordnen. Es
geht steil den Hang hinunter und der Wind wird schwächer.
An einer geschützten Stelle kann ich die neue Karte herauskramen ohne zu riskieren, daß sie
zerfetzt wird. Jetzt ist mir vieles klarer. Auch wenn mir die Lage der Hütte nach Studium der
Karte erst mal ein Rätsel bleibt. (Tatsächlich ist die Lage der Hütte auch in dieser neuen
Karte falsch eingezeichnet!) Das GPS meint noch 400 m bis zur Hütte. Ich
folge weiter dem markierten Pfad und sehe plötzlich 50 Meter vor mir die hinter einer
Hangkante verborgen gewesenen Sveinstindur-Hütte.
Erst mal suche ich in der Hütte Schutz. Der Hüttenwart von Hólaskjól hat mit dem Jeep die Rucksackberge
schon angeliefert. Koche mir eine heiße Schokolade und setze dann den großen Wassertopf
für die Gruppe auf. Baue dann mein Zelt etwa hundert Meter von der Hütte entfernt auf. Der Platz
ist eben und moosig, hängt aber ein bischen nach der Seite. Der Wind ist hier unten an der Skaftá
gar nicht mehr so stark und das Zelt steht ruhig. Als Jósef und seine Gruppe von Ihrer Tour
zurückkommen überlasse ich ihnen die Hütte und gönne mir ein Nickerchen in meinem Zelt. Am Abend
dann noch in der Hütte ein wenig mit den Isländern geplaudert.
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