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Morgens kaum Wind, Regennieseln das sich ab und an zu einem Schauer verstärkt. Dann wieder Ruhe auf
dem Zelt - könnte schlimmer sein. Heute muß ich zusehen, daß ich ein gutes Stück Richtung Sveinstindur
vorankomme, wenn ich morgen bei der Hütte sein will. Das Zelt wird ziemlich naß verpackt. Ziehe auch den
Anorak an, aber verzichte auf die Regenhose. Es wird immer deutlicher, daß der Wind auf Nordost gedreht hat.
Sehr gut - alles aus dem Nordsektor ist mir willkommen, denn das sollte gutes Wetter in Südisland bedeuten.
Mal sehen, was der Tag noch bringt.
Am zweiten See
Erst am Grasversvatn (ich nenne ihn mal so) entlang und dann der steile Aufstieg nach Westen zu der
Scharte in der Kette der Fögrufjöll. Das sind 110 steile Höhenmeter, aber kein Problem. Von oben mache
ich zum vorläufigen Abschied noch ein paar Photos von der Skaftá. Das Wetter bessert sich zusehends
und mein Grinsen wird breiter und breiter. Für diesen Abschnitt der Tour habe ich mir gutes Wetter
gewünscht, darum bin ich gestern in Grasver geblieben und habe abgewartet. Jetzt scheint meine
Rechnung aufzugehen. Vor mir liegt der erste einer Reihe von Seen die zwischen den beiden Ketten der
Fögrufjöll liegen. Der kleine
See ist nur 500 m lang und ich umgehe in an seinem Ostufer. Über eine Schwelle geht es zum nur wenig
größeren zweiten See. Diesen umgehe ich nun auf seiner Westseite. Mache eine kurze Pause und einen
Photostop.
Fagrifjöršur
Über eine weitere Schwelle dann hinunter zum Fagrifjöšur, dem "Schönen Fjord", des Langisjórs. Und
dieser trägt seinen Namen zu Recht - ohne Zweifel! Das tiefe, kristallklare Wasser reflektiert den
Himmel in einem so leuchtenden Blau wie ich das noch selten gesehen habe. Steil, teilweise auch
senkrecht fallen die umgebenden Berge in die Bucht des Fjords hinab. In der Mitte eine ebenso steile
Insel. Ich habe bisher
nur ein einziges Bld des Fagrifjöršurs gesehen und das war nur ein schwacher Abklatsch. Sicher, das Wetter
heute spielt mit, denn bei trübem Regenwetter könnte sich dieser Zauber nicht entfalten. Was mir
Sorge macht ist:
wie komme ich nun weiter? Entweder weit oben im Steilhang des Háskanef - oh Graus! Oder am Steilufer
direkt am Wasser. Versuche zweiteres.
Kaum etwas unterhalb der Kuppe, auf der Südwestseite, bin ich aus dem ärgsten Wind heraus. Unten am See hatte ich ihn gar nicht gespürt. Meine Nikon bekommt richtig Arbeit und ich muß zwei mal den Film wechseln. Das Stativ setzte ich nur einmal ein, denn ich fürchte der Wind könnte es umwerfen. Bin froh, daß ich den Anorak noch aus dem Rucksack gekramt habe. Nach etwa einer Stunde gehe ich wieder hinunter zu meinem Rucksackdepot. Der weitere Weg liegt nun klar vor mir. Der nächste See liegt in einer weiten, flachen Senke. Um ihn herum schwarzer Sand wie in einer Wüste. Was für Gegensätze! Die nächste flache Schwelle führt zu einem gut zwei Kilometer langen See bei dem man am besten auch das Ostufer benutzt. Seit dem Fagrifjöršur finde ich immer mal wieder die Spuren von vier Vorgängern im Sand. Zwischen Steilhang und See wird es mühsam - sehr mühsam. Über die Hälfte der Strecke turne ich über grobe, verkeilte Felsblöcke von Halbmeter - bis Metergröße von Stein zu Stein. Ohne die Stöcke hätte ich mit meinem schweren Rucksack wohl kaum eine Chance heil durch diese Fallen zu kommen, auch wenn sie sich immer wieder in den Spalten zwischen den Blöcken verhaken. Jeder Fehltritt hätte hier einen bösen Sturz zur Folge.
Fögrufjöll
Über die nächste Scharte erreiche ich einen kleinen, runden See der auf allen Seiten von steilen Hängen
umschlossen wird und deutlich den Charakter eines Kraters hat. Störe zwei Gänsefamilien, die empört
zum gegenüberliegenden Ufer fliehen. Dann zur Abwechslung mal etwa einen Kilometer weit durch einen
engen Talzug zum - na was wohl? - nächsten See. Auch dieser wird ostseitig über besonders ekelhaftes
Blockwerk umgangen. Schön langsam werden
meine Füße müde. Es ist 16:30 Uhr und ich beginne mich mit einem Auge nach einem Zeltplatz umzuschauen. Ich
klettere über eine weitere Schwelle und steig zum letzten(?) großen See hinab. Ich erreiche eine
fast geschlossene
Bucht. Hier ist am Ostufer kein Durchkommen. Zu steil, teilweise senkrecht, fallen die Förgrufjöll
hier zum See ab.
Also weiche ich nach Westen, zu der schmalen, aber bergigen Landzunge aus, die sich genau auf den
Sveinstindur hinzieht. Unterhalb der nur etwa 15 Meter hohen Schwelle zum Langisjór stelle ich mein
Zelt in den Sand und suche schwere Steine zum Sichern der Heringe.
Zeltplatz an der Bucht
Es ist 17:30 Uhr und meine Stoffhütte steht. Eigentlich waren das heute nur 12 Kilometer, aber was für welche!
Koche mir ein Chili con Carne. Danach an den Aufzeichnungen. Kurz nach 20:00 Uhr unternehme ich einen kleinen
Spaziergang auf den Grat der mich vom Langisjór trennt. Werde später am Abend mit dem Photo wiederkommen und
mich dann warm anziehen.
Kerlingar
Um 22:00 Uhr breche ich noch einmal auf und setzte mich auf den schon vorher erkundeten Gipfel. Hundert Meter
über dem Langisjór treffen mich die letzten Sonnenstrahlen. Dann taucht alles in die weichen, blauen
Tönungen der Dämmerung. Der Halbmond schiebt sich langsam auf den Sveinstindur zu und an den
Westabfällen des Vatnajökull,
weit hinter dem oberen Seeende, leuchten Schnee und Eis orange im letzten Sonnenlicht. Unendliche Ruhe
über dem See. Selbst der Wind hat sich gelegt. Er ist immer noch da, aber nicht mehr so bissig,
sondern ruhiger und stetiger.
Gegen Mitternacht bin ich wieder zurück beim Zelt und krieche zufrieden und müde in meinen Schlafsack.