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Wache schon mit einer halben Migräne auf und nach einem Becher Skýr zum Frühstück ist mir erst mal
kotzübel. Bei jedem Bücken bin ich in Gefahr, daß mir ein halbes Pfund Bláber-Skýr aus dem Gesicht fällt.
Mit Mühe und pochendem Schädel wuchte ich die Pulka zum Morgenbus vor dem Zeltplatz. Am Busbahnhof BSÍ
angekommen lasse ich mich erst in einen Sessel fallen, werfe zum zweiten Frühstück ein Aspirin ein und
warte auf den Austurleiđ-Bus, der mich nach Höfn bringen soll.
Ist gut so, ich brauche jetzt Ruhe, Rythmuswechsel und einen freien Kopf für mein Rendezvous mit dem
großen Gletscher. Ein Tag beschauliches und ruhiges Busfahren ist gerade richtig zum Ab- und Umschalten.
Alles ist erledigt, ich bin auf dem Weg und die Zweifel über Vernunft und Unvernuft meines Vorhabens sind
einer ruhigen Erwartung gewichen. Ich sitze nur still im Bus und lasse mich zum Vatnajökull kutschieren.
Mehr kann ich im Moment nicht tun. Mittagspause in Vík. Esse eingelegtes Lammfleisch und trinke ein
Leichtbierchen dazu. Es schmeckt schon wieder.
Ein starker Ostwind bürstet das saftige Gras an den Hängen in Wirbeln gegen den Strich. Etliche der
Wasserfälle an den alten Klippen werden vom Wind zurück über ihre Fallkante gestäubt und in feinen
Nebel verweht. Zwei Jungs, die offensichtlich zum Grćnalón wollen bitten den Fahrer sie hinter der Brücke
über den Blautakvísl aussteigen zu lassen. Mache sie noch darauf aufmerksam, daß sie dann über den
Gletscherfluß zurück müßten. Das hatten sie wohl auf ihrer ungenauen Karte nicht gesehen.
Schließlich in Höfn angekommen hält der Bus direkt am Zeltplatz und bald stehen die beiden roten
Hillebergzelte nebeneinander auf der saftig grünen Zeltwiese. Kaufe in der nahegelegenen Esso-Tankstelle
noch zwei Gaskartuschen. Während ich mir im Zelt ein Süppchen koche steigert sich die Stärke der
Windböen und Regen beginnt auf das Zelt zu trommeln. Nähe noch eine aufgesprungene Naht an meiner alten
Faserpelzjacke und beginne mit den Aufzeichnungen. Das neue Zelt steht bemerkenswert ruhig. Es steckt
die harten Schläge der Böen weg indem es ein wenig ausweicht, ohne sich dabei groß zu verformen. Die
richtige Mischung aus Flexibilität und Steifigkeit? Wir werden sehen.
Busterminal Reykjavík
Das Wetter ist durchwachsen. Als der Bus von der Suđurlandsbraut in Islands Ringstraße, die Nr. 1, einbiegt
ziehe ich den Mützenschild über die Augen, klemme mich in eine Ecke und versuche zu dösen. Die Fahrt
über die Hellisheiđi und Hveragerđi nehme ich nur aus den Augenwinkeln wahr. In Hella findet gerade
die Landsmót, die Landesmeisterschaft, statt - das Pferdeereignis des Jahres! Vom Bus und der
leicht welligen Straße gewiegt schlafe ich immer wieder ein. Irgendwann spüre ich, daß der Druck zwischen
den Augen nachgelassen hat und langsam fühle ich mich besser und frischer. Der Streß der letzten
Wochen und Tage muß sich wohl erst noch abbauen wie Restalkohol.
Der Bus in Skaftafell
Skaftafell profitiert mal wieder von seiner Lage im Lee des Hvannadalshnúkur, was der Gegend einige
Sonnenstrahlen mehr einbringt. Ein junges Paar hängt seine Räder an die "Fronthörner" des Busses, der nun für
Nichteingeweihte recht furchterregend aussieht, als hätte er unterwegs ein paar Biker aufgegabelt.
Das Mädchen schaut mich an und fragt: "Wir kennen uns doch von "Lauche & Maas"? Richtig, im Frühjahr
trafen wir uns dort beim Zeltkauf. Sie haben ein Nammatj und ich ein Tarra erstanden. Sie erzählt, sie
hätten heute Morgen versucht Richtung Höfn zu radeln, aber kaum waren sie aus dem Windschutz des
Hvannadalshnúkur heraus, hat sie der sturmartige Ostwind gestoppt. Also mit Rückenwind zurück und
auf den Bus gewartet. Am Jökulsárlón der obligatorische Photostop. Die Sicht ist nur mäßig und es fehlt
ein Sonnenstrahl um die schon halbtotphotographierten Eisberge zum Leuchten zu bringen. Mich interessiert
mehr was dahinter liegt, aber das schmutzige Eis des Breiđamerkurjökull verschwimmt in Wolken
und Nieselregen. Der Vatna hält sich bedenkt.