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10. Tag Heravellir

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Copyright © Dieter Graser

Samstag 29. März 1997


Nach dem Aufwachen bin ich eigentlich nicht dazu zu bewegen den Schlafsack zu verlassen. Gar schröcklich miaut der Kater. Angle mir eine Aspirin. Aber halb so schlimm, langsam geht es wieder und das Frühstück schmeckt auch einigermaßen. Trotzdem danach noch mal etwas gedöst. Die Wikingerhorden verlassen allmählich die Stätte. Draußen springt, eine gewaltige Rußwolke produzierend, der reparierte Motor zum ersten Mal wieder an. Ich glaube, die haben die ganze Nacht durchgearbeitet. Ich mache mich nützlich und räume das Schlachtfeld in der Hüttenküche auf - jeden Tag eine gute Tat. Im Sommer gibt es hier immer zwei bis drei Hüttenwarte, aber im Winter darf sich der Meteorologe darum kümmern. Ich habe Zeit, da heute niemand nach Norden fährt werde ich noch einen Tag länger hier bleiben.

Heisse Quelle in Hveravellir
Durch das Fenster beobachtete ich früh am Morgen die drei jungen Skiläufer von gestern, wie sie mit ihren Schlitten den Bach überquerten und sich dann nach Osten wandten, um über den östlichen Teil des Kjalhrauns nach Hvítárnes zu kommen. Nicht mein Tag heute. Ich vertrödele den restlichen Morgen und mache mir Mittags eine kleine Portion Spaghettis. Nachmittags ein Bad im Pool, den ich ganz für mich alleine habe. Allerdings war das Wasser am Anfang so heiß, daß ich erst große Schneebrocken von der Wächte armeweise in den Pool schmeißen mußte, um die Wasssertemperatur erträglich zu machen. Ach ja, der stürmische Regen des Morgens hat sich gelegt und inzwischen gibt die Sonne auch schon mal Minutengastspiele. Nach dem Bad, kleiner Skispaziergang zu den Quellen und Photos gemacht. Dabei 3 Schneehühner aufgestöbert, die mich bis auf wenige Meter herankommen ließen.

Dampfquelle in Hveravellir
Bis auf Kjartan und seine Frau Eyðis, die sich erst morgen einem Konvoi anschließen wollen ist die Hütte leer. Bei einer Tasse Kaffee sitze ich über den Aufzeichnungen. Am Spätnachmittag trudeln die ersten Neuankömmlinge ein. Dabei auch ein einzelner Pickup mit überbreiten Reifen und dem obligatorischen Antennenwald. Auf seiner Ladefläche liegen drei Pulkas und Skiausrüstungen. Irgendwo hat er auch noch drei Passagiere mit untergebracht. Neugierig mache ich mich an die 3 heran, die gerade abladen und ihr Material zur oberen Hütte schleppen. Nach den Lauten, die sie so von sich geben versuche ich es mit einem beiläufigen "Servus" zur Begrüßung - verblüffender Erfolg bei den Österreichern. So viel ich mitbekomme haben sie eine Durchquerung des Sprengisandur von Norden her versucht, saßen dann zwei aber zwei Tage in einem Schneesturm in ihrem Zelt fest und wurden anschließend von dem Superjeep aufgelesen. Sie nahmen das Angebot an sie nach Westen nach Hveravellir mitzunehmen. Die Drei, zwei "Damen" und ein "Herr", sind gut ausgerüstet. Die Tour war gut durchgeplant und sie verfügten sicher über eine lange Hochtourenerfahrung, aber in Island war nur eine der Frauen vorher gewesen und da auch nur im Sommer. Dann als erste Wintertour in Island gleich die Sprengisandurroute zu versuchen war wohl etwas zu viel, jetzt wollen sie statt dessen auf dem Kjölur weiter nach Süden gehen. Als sie hörten, daß ich gerade den Kjölur herauf gekommen bin, fragt mich eine der Frauen ob ich ein GPS hätte und ihnen die Koordinaten der Wegpunkte geben könnte, sie hätten auch nur Karten vom Sprengisandurgebiet dabei. Klar kann ich. Am Abend gebe ich ihnen meinen Routenplan, die Wegpunkte, die Kartenkopien, die ich ja jetzt nicht mehr brauche und noch einen Sack voller Tips. Schade, daß sie sich durch ihren knappen Zeitplan die nötigen Reserven vergeben haben und nun unter Zeitdruck stehen. Die Geschichte einer anderen Gruppe, die etwa zur gleichen Zeit im Sprengisandurgebiet in "Bergnot" gekommen war machte in Hveravellir die Runde. Wieder in München konnte ich über das Internet näheres erfahren:

Daily News of Iceland
25 March 1997

Signal mix-up sends chopper to rescue French policemen

A Coast Guard helicopter was unnecessarily scrambled on a costly rescue mission Sunday when a group of four French policemen decided to call off their trek across the Icelandic highlands. The men, police officers from Grenoble in the French Alps, abandoned their trip when one of the group began sufering from an old injury. Equipment failure compounded the group's difficulties. Instead of merely sending out a request for assistance on their Argos rescue-locating device, the men issued a full-scale Mayday distress signal. According to Icelandic police officer Eiríkur Beck, had the Mayday signal not been sent the group would have been picked up by rescue jeeps or snowmobiles. As the French adventurers were fully insured however, the Coast Guard does not have to pick up the tab for the mission.

Weather:
Honestly, I don't know what's gotten into the chaps at the Met. Office, but judging by today's weather map it appears we have a budding Munch or Francis Bacon in charge of the graphic representation of Iceland's weather. Thick black arrows representing wind strength and direction are scattered haphazardly about the map, but each arrow points in a different direction! Whoever drew this thing must have been blindfolded. And that's the weather in a nutshell: wind and rain. The rain will last all day, and the wind will blow from every direction. Temperatures will range from 1°C in the extreme northwest, to 6°C ) in the east. Sunrise in the capital was at 7:10, with sunset timed for 19:58.

Die einzigen neuen Gäste in "meiner" Hütte sind eine Gruppe von Jugendlichen mit zwei Jeeps und zwei Motorschlittenfahrer, die auch erst so um die 20 sind. Außer ihnen sind nur noch Kjartan und Eyðis da. Die Jugendlichen drehen erst mal den Kassettenrecorder auf und sortieren ihre Alkoholvorräte: Bier, Rotwein, Spumante und Whiskey. Um 0:30 Uhr sind sie dann mal auch schon mit dem Grillen (... natürlich im Freien!) fertig und fangen mit dem Essen an. Wir älteren Herrschaften haben das andere Ende des Raumes besetzt und ziehen uns in die Schlafsäcke zurück. Dank Lärmstop schaffe ich es auch recht schnell einzuschlafen, aber um 3 Uhr gestatte ich mir dann schon einmal die Bemerkung, daß auch noch andere Gäste da sind und daß es sowas wie Hüttenregeln gibt. Erstaunlicherweise fruchtet das bei den noch halbwegs Nüchternen. Die Musik wird heruntergedreht, das Licht in unserer Raumhälfte wird gelöscht und die Besoffenen in die Kojen verfrachtet.


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11. Tag Mit dem Jeep über das nördliche Hochland