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Gestern Abend noch das erste Kapitel in "Die Insel des vorigen Tages" gelesen. Mit kurzen
Unterbrechungen gut geschlafen. Anmerkung: das Rucksacktragen gestern hat dem Arm überhaupt
nicht geschadet. Keine Schmerzen - auf jeden Fall wenigerer als ein Tag Arbeit am Computer!
Die ganze "Nacht" über Regen und Nieseln. Einige Böen schüttelten das Zelt. Von der
Morgenmaschine nach Akureyri geweckt. Ich kenne die vertraute Tonlage der Fokker 50.
Draußen triefender Nebel über dem See. Irgendwo bähbäht ein Schaf. Das Wetter ist überhaupt
nicht einladend und entsprechend saumselig ist das Frühstück.
Um 8:00 Uhr Start. Der Nebel hat sich verzogen und anfangs ist es sogar noch trocken. Nach
dem Sandklufuvatn kommen einige ganz gute Zeltmöglichkeiten und sogar ein Bach mit klarem
Wasser. Der Anstieg zum Tröllaháls hat es an Länge und Steilheit in sich. Als Dreingabe
bekomme ich kräftigen SW-Wind und horizontalen Regen. Immer wieder auch ein schöner Regenbogen,
der mich wenigstens zum Teil darüber hinwegtrösten kann, daß es mich von links hinten her
einsuppt. Die Goretex-Jacke ist schon alt und die Stiefel sind auch schon ziemlich fertig -
überall Wassereinbrüche. Vorbei am "Bischofskreuz" das zum Gedenken an einen isländischen
Bischof der hier auf einer Reise verstarb errichtet wurde. Das Wetter wird zunehmend
freundlicher und der Regen läßt nach.
Mittagspause am Uxarhryggur, an der Abzweigung zum Borgarfjöršur. Hier beginnt die Piste
des Kaldadalvegur. Durch Lee-Effekte befinde ich mich in einem Sonnenloch. Über jedem Berg
im Süden stehen die Linsenwolken und am der breiten, flachen Vulkankegel des Skjalbreišur
hängen die Stauwolken. Sonne und Wind trocknen die Klamotten von außen. Die Landschaft
wird zunehmend weiter. Vegetation ist kaum mehr anzutreffen. Steinpflaster und große
Moränenblöcke (ähnlich wie nördlich des Gullfoss) bedecken den Boden. An einem Quellbach
westlich der Straße, etwa 5 km hinter der Abzweigung, hole ich mir noch zusätzlich 3 l
frisches Trinkwasser. Weiter in Richtung Kaldidalur werde ich wohl erst morgen wieder Wasser
finden. Die Piste folgt erst eine Höhenzug und quert dann den Sporn eines Ausläufers des
Björnsfell. Mit Annäherung an die Berge und zunehmender Höhe tauche ich zwischendurch in
Nebel ein der sich jedoch wieder verzieht. Was bleibt ist immer wieder feiner Sprühregen.
Das Kaldidalur ist ein mehrere Kilometer breiter Talpaß zwischen den Gletschern von Žórisjökull
und Ok und folgt der tektonischen Hauptrichtung SW-NO. In jedem Reiseführer wird diese Piste
als "Hochland im Kleinem" empfohlen, aber auch immer darauf hingewiesen, daß hier das
Wetter besonders schnell umschlagen könne. Nun, das Wetter wechselt hier auch nicht öfter
als anderswo im Hochland und in einer Höhenlage von 700 m kann in Island jeder Wettersturz
Schnee bringen.
Kaldidalur
Später nachlassender Niederschlag. Über dem Žórisjökull, dessen Plateaukante sichtbar wird,
blaurosa Aufhellungen. In der Nacht erneut Sprühregen und kräftiger Wind.
Ziemlich weit voraus locken mich ein paar grüne Flecken mit der Aussicht auf eine
günstigere Zeltmöglichkeit. Ein dichte Nebeldecke hängt vielleicht nur 1-200 m über dem Tal
und verbirgt die sicherlich außergewöhnliche Aussicht auf die Berge und Gletscher ringsum -
schade. Ich hatsche weiter und die vielversprechenden grünen Flecken erweisen sich als
Moospolster auf grobem Blockwerk, ich muß also weiter suchen. Ein etwas verbeulter, alter
Mercedes überholt mich und hält an. Der Fahrer, ein ebenfalls schon älterer Isländer fragt mich
auf deutsch, ob er mich nach Húsafell mitnehmen könne. Dankend lehne ich ab. Nach einer
kurzen Steilstufe finde ich schließlich etwa 100 m rechts der Straße eine kleine
Moosterrasse. Einigermaßen eben und gerade groß genug für das Zelt. Das Zelt war natürlich am
Morgen naß eingepackt und entsprechend feucht. Für die Isomatte muß ich mir auch mal einen
regendichten Packsack besorgen. Zum größeren Ärger ist selbst der Schlafsack, obwohl gut
verpackt, in dem Regen feucht geworden. Ich nehme die Position (ganz schön weit gekommen
heute!), trinke noch den restlichen heißen Tee aus der Thermos und döse ein bißchen. Draußen
wieder heftiger Wind, Regen und Nebel. Zum Abendessen Kartoffeleintopf. Nach diesem langen Tag
bin ich mit mir zufrieden. Der Arm schmerzt eher weniger als nach einem normalen Arbeitstag.
Dafür spüre ich alle anderen Knochen und Muskeln. Die Bandscheibe spielt offenbar mit und
ich beginne daran zu glauben, daß die Tour möglich sein wird. Werde mich früh in den
Schlafsack verkriechen und auf trockenes Wetter hoffen.
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