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Um 6:00 Uhr strahlender Sonnenschein und keine Wolke am Himmel. Aufbruch um 8:30 Uhr.
Leicht aufsteigend das Tal hinauf, in das Tal in das die Spaziergänger gestern Abend alle gegangen
sind. Zwischen Húsfell und Helgafell hindurch dann über das weite Lavafeld des Húsfellbruni.
Bald trifft man auf die Steinwarten des alten Weges Selvogsgata. Und auch hier sind auf der
flachen Fladenlava die ausgetretenen Spuren der Pferdekarawanen zu sehen. Ein widerspenstiger
Stacheldrahtzaun muß in dieser Eineöde geöffnet und wieder geschlossen werden, ohne daß man an
ihm hängen bleibt. Ein paar kleine, hohe Wölkchen zeigen sich bei leichtem NW (Rücken-)Wind
am Himmel. Es ist ein Traum! Allmählich weiß ich, wie der Gregory am besten einzustellen ist und
ich bin höchst zufrieden mit dem neuen Ruck-"sack".
Selvogsgata
Oben in der Scharte ausgiebige Mittagspause mit Blick auf Reykjavík und Snęfellsjökull. Dann
verlassen die Pflöcke die Selvogsgata und es geht auf der Hochebene Richtung Bláfjöll. Komme an
einem schönen, grünen Wiesenplatz mit einer Stufe, die zum Hinsetzen und Ausruhen einlädt,
vorbei. Schade, daß es hier kein Wasser gibt - hier wäre gut bleiben. Die kahlen und für den
Skibetrieb planierten Hänge der Bláfjöll, denen ich mich nun nähere, sind nicht besonders
einladend. Wo werde ich dort wohl Wasser finden? Schneereste, auf die ich meine Hoffnung
setzen könnte, gibt es keine mehr.
Flugzeugwrack
Es sind nur noch 1,5 km bis zur Skihütte Breišablik. Die Einrichtungen des größten Skigebietes
Islands gleichen einer Geisterstadt. Beton, weite, leere, staubige Parkplätze, verrammelte Gebäude,
Werbeschilder, Abfall der darauf wartet wieder gnädig von Schnee bedeckt zu werden. Trostlos wie
alle ausnahslos alle Skigebiete im Sommer. Einzig eine mir entgegenkommende Gruppe von Kindern mit zwei
jugendlichen Begleitern beleben die Szenerie. Die Kinder tragen alle Fahrradhelme und werden
noch einmal eindringlich von der jungen Frau ermahnt, bevor sie in das Lavafeld gehen. Sie
erklärt mir, daß es dort begehbare Höhlen gibt, die sie nun besuchen werden. Ob sie weiß, ob es
hier irgendwo Wasser gibt? Nein - scheinbar nicht. Kaum sind sie hundert Meter gegangen rufen sie
mir zu "Hér er vatn!" Tatsächlich - in einer kleinen Moorschlenke steht klares (?) Wasser.
Abgekocht müßte es verwendbar sein. Zurück zum deponierten Rucksack und in einer nahen
Lavamulde einen perfekt geschützten Zeltplatz gefunden. Der übliche einstündige Schlaf im
sonnigen Zelt. Gekocht und dann zu einem Abendspaziergang zu den Stampahellir aufgebrochen.
Zwei der Höhlen sind gut zugänglich und auf kurzer Strecke einfach zu begehen - so lange noch
genug Licht durch die eingestürtzte Hölendecke fällt. Die Höhlen gleichen mit ihren flach ovalen
Querschnitten eher Druckstollen. Deutlich erkennt man die Fließspuren der dünnflüssigen,
glühenden Lava. Zurück
zum Zelt und anden Tagebuchaufzeichnungen.Hoch über mir brummt eine laute, alte Propellermaschine
einige Runden über den Bláfjöll. Es wird kalt. Bin doch deutlich höher als die letzten
"Nächte".
Die Selvogsgata hält gerade auf eine wie eine Mauer aufragende Bergkette zu. Nach 7 km quere ich
die Schotterstraße 417 ohne auch nur ein Auto gesehen zu haben und gehe an einer orangeroten
Nothütte vorbei. Dann geht es erst langsam und dann steiler und steiler werdend hinauf zur
Grindasköršscharte. Das sind gut 300 Höhenmeter die es in sich haben. Inzwischen weiß ich, wie
man unter schwerer Last solche Anstiege meistert. Der Trick ist die Gehgeschwindikeit einer
kontanten Atemfrequenz anzupassen. So steige ich zwar langsam, aber auch das besonders steile
Schlußstück, ein einem Zug durch. Alpine Kulisse mit steilen Felsen, einem Kar und Schuttreißen.
Tatsächlich geht der Weg zwischen den Basaltköpfen Mišbollar und Sušurbollur, also über die
Kerlingarskarš und nicht über die etwas weiter nördlich gelegene Grindaskörš und folgt somit
damit der Selvogsgata. Der Verlauf des Weges ist auch hier eindeutig durch die gelb-blauen
Pflöcke gekenzeichnet. Und im Zweifelsfalle folge ich lieber den Pflöcke als der Beschreibung.
Nicht weit vom markierten Weg entfernt liegen zwei durch einige Steine halb
aufgerichtete 6-Zylinder Sternmotoren eines Flugzeugwracks. Sie zeigen in Flugrichtung Ost. Ein
Hauptfahrwerk ist neben den Mororen das größte übriggebleibene Einzelteil. Alle anderen größeren
Wrackteile sind wohl schon vor Jahrzehnten abtransportiert worden. Zerknülltes Alublech läßt
erkennen, daß die Maschine einmal gelb lackiert war. Der Boden ist bedeckt mit vielen
undefinierbare Kleinteilen, Kabeln, und einer Unmenge an Holzsplittern. An einer geplatzten
Batterie kann ich noch "R.A.F. Gear" entziffern. Das ist alles. Nein, ganz zum Schluß entdecke ich
noch etwas abseits die Sohle eine eines Stiefels mit Gummiprofil und einen zweiten Sohlenteil eines
kleineren Schuhs, auch ein verwittertes Stück Stoff oder Leder das Teil einer Fliegerkappe gewesen
sein könnte. Ein Wunder, daß der Wind diese leichten Teile nicht fortgetragen hat. Ich lasse alles
an seinem Ort liegen und verändere nichts. Es ist schon
erschütternd. Erst war ich fasziniert von dem "technischen" Wrack, aber plötzlich wird auch die
menschliche Dimension des Unglücks erahnbar.
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