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Nachts leichte Windgeräusche im Obsidiangemäuer - irgendwann gegen Morgen auch ein ziemlich starker
Regenschauer. 7:30 Uhr, leichter Regen. Dummerweise versperrt mir die Mauer die Sicht aus dem Zelt und so sehe ich nur
etwas vom Himmel und den kann ich auch hören. Bis 8:45 Uhr weitergeschlafen - ich habīs ja nicht eilig. Langsam gefrühstückt und zusammengeräumt. Kaum lehnt der Rucksack an der Mauer, wird aus
dem Nieseln wieder Regen. Patschnaß und dreckig wird das Zelt verpackt. Auch Innenzelt und Schlafsack haben
Feuchtigkeit abbekommen. Bin wieder in Regenkleidung als ich um 11:10 Uhr starte. Zuerst an der Hütte vorbei,
dann ein paar Höhenmeter zum Paß und dann meist flach über Schneefelder, Geröll und Sand
bergab. Von der umgebenden Landschaft ist leider wenig zu sehen. Alles steckt mit in der Suppe, aber wenigsten kommt
der Sprühregen bei nur mäßigem Wind in den Rücken. Je tiefer ich komme, um so mehr bessert
sich die Sicht. Die bunten Farben der Liparitberge werden immer unwirklicher und eindrucksvoller. Erster Gegenverkehr -
vorneweg der Hüttenwart. Er war gestern Abend noch nach Landmannalaugar abgestiegen, um heute morgen eine
Wanderergruppe durch den Nebel heraufzuführen. "Was it quiet tonight, no drunken, no fight?" fragt er mich. Er hat
seine Hütte wohl nur ungern ohne Aufsicht gelassen. Mir war nichts Schlimmes zu Ohren gekommen. In einem kleinen Tal dann - Stórihver - die "große heiße Quelle", zwei fauchende und blubbernde
Löcher, die so viel Dampf produzieren, daß dieser einem zeitweise die Sicht nimmt. Weiter oben eine etwa
5 m große hellblaue Wasserlache deren Ränder vor sich hin köcheln. Ein kurzer Gegenanstieg führt
auf einen flachen Rücken. Etliche Wanderer kommen mir entgegen. Die Sicht nach Landmannalaugar wird zunehmend
frei, die Wolkenschwaden werden dünner und die Sonne ist zu erahnen. Der Wind ist hier oben ziemlich kalt und fegt
noch einzelne feine Schauer vom Hrafntinnusker herunter, aber die Wetteraussichten scheinen besser zu werden. An einer
kleinen Steinwarte mache ich Pause und beobachte ein holländisches Paar, wie sie den breiten Grat heraufasten.
Ich kann ihnen etwas heißen Tee anbieten. Phantastischer Blick zu den des Suðurnámur - vor besonnten,
hellbunten Liparithängen steht zu allem Überfluß noch ein Regenbogen. An der Brennisteinsalda
(Schwefelhöhe) komme ich endlich selbst in die Sonne. Schwarz und wild gezackt erstarrt, nimmt hier am Hang
das Lavafeld des Laugahraun seinen Anfang. Am Rand der Lava finde ich ein sonniges und windgeschütztes
Plätzchen, breite erst mal alle feuchten Klammotten zum Trocknen aus und gönne mir eine ausgiebige
Brotzeit. Es herrscht reger Ausflugsverkehr, ich bin nun wirklich im Einzugsgebiet von Landmannalaugar. Keuchende
Tagesausflügler, mit umgehängter Videokamera auf dem Gipfelsturm zur Brennisteinsalda. Zweifelnd
blickende Trekker, denen schon schon die erste Stunde auf dem Laugavegur das Gewicht ihres Rucksacks klar macht.
Teilnehmer einer deutschen Reisegruppe die trotz Atemnot nichts besseres zu tun haben als über Wirtschaftspolitik
zu diskutieren. Ein älterer Isländer macht kurz Pause und wir wechseln ein paar Worte. Fast eine Stunde lang
genieße ich Sonne und Wärme. Die Witschaftspolitiker sind inzwischen wieder auf dem Rückweg und
immer noch beim selben Thema. Im Zickzack führt der Weg den steilen Hang, aus dem einige Dampwolken steigen, in den weiten, ebenen
Talgrund des Námkvísls. Hinter einem mächtigen Damm aus schwarzer Obsidianlava, der das
ganze Tal abriegelt, liegt nun ein vom Wind bewegter See von Wollgras. Sattes Grün und seidiges Weiß,
ein angenehmer Kontrast zu den Schwefelfarben der umgebenden Höhen. Postkartenhimmel. Ich schieße
ein paar Photos, wer weiß, was der nächste Tag bringt? Die Faserpelzjacke wird mir zu warm.
Spaziergänger auf dem labyrinthartigen Pfad über den breiten Damm der chaotische Lava des Laugarhrauns.
Am Nordrand des Lavafeldes liegt die Hütte von Landmannalaugar. Es ist 15:00 Uhr und ich suche mir einen Zeltplatz. Auswahl gibt es mehr als genug, aber der Boden, eine altes, kaum
bewachsenes Flußbett ist steinig und die Heringe sind kaum reinzukriegen. Dann erst Wäsche waschen, alles
auslüften und trocknen! In der Hütte mein vorausgeschicktes Futter für die nächste Wochenetappe
abgeholt und für zwei Nächte bezahlt. Endlich das verdiente Bad im warmen Bach, der die eigentliche Attraktion
von Landmannalaugar ist. Die heißen Quellen, die ihn speisen entspringen unmittelbar am steilen Rand des Lavafeldes.
Naja, einsam und ruhig ist es hier nicht gerade. Zwei große Reisegruppen aus Frankreich übertönen alles,
aber man kann ja auf dem Rücken schwimmend, nur mit den Handflächen rudernd den etwas kühleren und
ruhigeren Seitenbach hinaufflösseln. Schwimmen macht hungrig! Nahe bei der Hütte steht ein klappriger Landrover neben dem ein Holzschild auf den
Fischverkauf hinweist. Ich erstehe mir geräucherte Forrellenfilets als ersten Gang für ein Festessen. Der
Zeltplatz, vor allem der für Gruppen vorgesehene Teil, hat sich bis gegen Abend gut gefüllt. Auf dem Parkplatz
stehen Allradfahrzeuge, Busse und etwas hochbeinigere Wohnmobile. Es ist das erste Wochenende im August -
"Verslunmannahelgi" - "Bankholliday" - langes Wochenende - am Montag ist frei - ganz Island ist auf Tour. Wehe wenn man
sich zufällig an dem Ort aufhalten sollte, an dem sich die Reykjavíker Jugend heimlich verabredet hat. Die
Ordnungshüter versuchen schon im Vorfeld zu verhindern, daß die Þórsmörk oder
Landmannalaugar gestürmt werden. Aber dieses Jahr war Akureyri dran, wie ich später erfahre. Bis 24:00 Uhr
lärmende Franzosen, die Nachtschicht übernehmen dann die Isländer. Ich stöpsele mir
"Lärmstop" in die Ohren. Ach ja - nachts beginnt es wieder mal zu regnen.
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9. Tag: Landmannalaugar