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Ohne Wecker bis 7:00 Uhr geschlafen. Es gibt etwas Sonne und der Wind hat auch etwas nachgelassen,
aber er ist kalt und weht immer noch aus Norden. Aufbruch um 9:30 Uhr.
Die Orientierung ist einfach. Ich brauche nur auf direkt auf die dunkle Pyramide des Valafell
zuhalten. Am Kúlnakvísl muß ich weit nach Nordwesten ausweichen um die flachen Seen, in denen
sein Wasser versickert, zu vermeiden. In ihrer weiteren Umgebung ist der der feine Sand so
wassergesättigt, daß ein mehrfaches, rythmisches Belasten des Fußes den scheinbar festen
Untergrund verflüssigt. Meine GPS-Koordinaten stimmen gut mit einer, wer weiß wie alten,
Jeepspur überein. Den Kúlnakvísl muß ich dann furten. Auf dem Weg zur Rauðá, am Fuß des
Höhenzuges Gjóstuklif, der wie ein Riegel die Vonarskarð versperrt, noch eine unangenehme
Schwemmsandebene, in der ich versuche besonders "leise" aufzutreten. Die Jeepspuren haben die
Ebene vermieden und sie weiter westlich umfahren.
Mittagspause im Windschutz einer Terrassenkante. Hier, am Fuß des Gjóstuklif, sind die
Wetterzeichen eindeutig. Die Wolken sind in den letzten Stunden dichter geworden und ihre Basis ist rapide
abgesunken. Vor dem Tungnafell und der Báðarbunga ziehen Regenschleier. Oder ist das schon
Schnee? Es ist kalt geworden. Keine Minute zu spät mache ich mich "regenfest", ehe das Nieseln
einsetzt. Es sind gut einhundert Höhenmeter hinauf zum Gjóstuklif. Der Nordwest-Südost
verlaufende Höhenzug bildet den eigentlichen Paß der Vonarskarð. In der Lücke weiter östlich, zur
Bárðarbunga hin, breiten sich die Spülrinnen der vom Vatnajökull komenden Gletscherbäche aus
und bilden trügerische, wassergesättigte Sandflächen. Der Hang ist nicht besonders steil, aber ich
habe heftigen Gegenwind und so krieche ich langsam nach oben. Kleine Steinwarten, aufgeschichtet aus
drei, vier Steinbrocken zeigen den ungefähren Verlauf einer, mit viel Bodenfreiheit, fahrbaren
Route an. Endlich bin ich auf der Ebene vor den Valafell. Der Blick nach Norden ist regentrübe und
die Wolken drängen immer tiefer heran. Wenige Zehnermeter über meinen Kopf beginnt der
Nebel. Vom Valafell sehe ich nur den Sockel. Der wütende Wind peitscht mir den Regen ins
Gesicht. "Gjótsaklif" - "klif" heißt Klippe und "gjóstur" bedeutet "schneidender Wind". Na, paßt
doch - auf isländische Ortsnamen ist Verlaß!
Die undeutliche Fahrspur ist nun schon fast zu einer richtigen Piste geworden. Es geht flach bergab
und endlich kann ich Tempo machen. Es ist auch nötig aus der Düse hier wegzukommen, denn der Regen verstärkt
sich. Rechter Hand, verschwommen im Regen, die beiden Basaltköpfe der Hniflar, die "Wächter" der
Vonarskarð. Gestern galt noch der Spruch "im Lee is schee", aber jetzt bin ich auf der Luvseite. Bis
zum Stakfellslækur gebe ich richtig Gas. Ich stelle die Stöcke länger und schiebe mich gegen Wind
und Regen an. Von der Landschaft ist leider nicht viel zu sehen - da entgeht mir etwas. Aber ich
habe schon genug Wetterglück gehabt und so betrachte ich es als notwendiges Opfer. Gegen 15:45
Uhr erreiche ich die Furt des klaren, flachen Baches, durch den ich mit den Stiefeln durchlaufen
kann. Am anderen Ufer suche ich mir einen flachen, moosigen Platz fürs Zelt. Trinkwasser habe ich
2 m vor dem Zelteingang.
Schließlich habe ich alle nassen Sachen in der hinteren, linken Ecke des Zeltes verstaut und werfe
mich erschöpft auf die Isomatte. Trinke noch den Rest warmen Tee aus der Thermos und
knabbere etwas Schokolade. Döse schnell weg, aber die die feuchten Klamotten werden kalt und
fröstelnd wache ich wieder auf. Ziehe schleunigst in den Schlafssack um. Etwas gelesen und später
gekocht. Bei einer Tasse heißer Schokolade an den Aufzeichnungen. Das Wetter ist nur wenig
verändert. Starker Wind mit Regen aus Nord manchmal mehr Nieseln, manchmal dickere Tropfen.
Die Wolken liegen jetzt auf. Die Sichtweite beträgt etwa 200 Meter. Na ja, kann eigentlich nur
noch besser werden. Muß wieder an Karl und Sigurlaug denken - sie sind ohne Zelt unterwegs, nur
mit Biwaksack. Ich sehe sie im Geiste irgendwo an der Trölladyngja hinter einem Lavablock als
Windschutz gekauert. "Fjalla Eyvindur og Halla" meinte Siugrlaug etwas säuerlich lächelnd auf das
legendäre Ausgestoßenenpaar anspielend, das sich jahrelang im Hochland versteckt hielt. Ich
möchte mein wohnliches Zelt nicht missen.
Snappadalur
Erst einmal geht es über eine weite Ebene geradeaus nach Nordosten. Der Boden ist erst kiesig und
mit Moos bewachsen, dann folgt schwarzer, fester Sand und schließlich weite Lehmflächen, die
Überreste flacher Schmelzwasserseen. Ich versuche am östlichen Rand der Ebene zu bleiben,
denn die Lehmflächen sind wenig vertrauenserweckend weich. Treffe auf die Spuren von Karl und
seiner Sigurlaug, verliere sie aber wieder im nächsten Frostschuttfeld rings um einen flachen
Hügel. Wie mag es ihnen ergangen sein? Was für ein Wetter hatten sie, als sie hier durchkamen?
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