![]() |
|
---|
Immer wenn ich in der Nacht kurz aufwachte hat es geregnet oder genieselt -
zuletzt um 5 Uhr. Als
um 6:00 Uhr der Wecker piepst fällt tatsächlich kein Niederschlag mehr. Ungäubiger Blick nach
draußen. Immer noch Südostwind. Die Wolken hängen tief und sind bleigrau. Trotzdem: Frühstück
und packen. Aufbruch um 8:00 Uhr wie gewohnt.
Nirgendwo sind die typischen, weißlichen Regenstreifen zu sehen. Vielleicht bleibt es ein paar
Stunden trocken. Erst mal geht es weiter durch das Lavafeld des Skaftátals. Dann das Tal verlassend
in
einem weiten Bogen zum Strangakvísl. Fahrzeuge müßen hier durch eine erste Furt, aber
Fußgänger können etwas weiter oberhalb einen kleinen Steg benutzen. Kurze Pause für ein paar
Bilder. Nur einen Kilometer weiter dann die enge Schlucht der Eldgjá. Durch die Verspätung
und die
Straßenverlegung habe ich mir am ersten Tag schon etwa einen halben Tag Rückstand eingehandelt,
also verzichte ich auf einen Besuch des Ófærafoss und hebe ihn mir für ein anderes Mal auf. Die
berühmte Naturbrücke ist vor ein paar Jahren eingestürzt und jetzt ist der Ófærafoss eben ein
Wasserfall wie viele hundert andere auch in Island. Zumindest tröste ich mich mit
diesem Gedanken.
Statt dessen erwartet mich ein giftiger Anstieg über 200 Höhenmeter. Ich schalte in den
kleinsten
Gang und gehe an den steilsten Stellen im Zickzack. Von oben kommt mir ein Bus mit heulender
Motorbremse entgegengeschwankt. An diesem Berg werden alle Radler ihre Freude haben egal ob
rauf oder runter. Entweder glühen die Oberschenkel oder die Bremsen! Die mit der Höhe
zunehmende Aussicht nach Süden würde mich ja entschädigen, wenn sich dort nicht die ersten
Niederschläge ankündigen würden. Auf der Paßhöhe halte ich mich nicht lange auf denn es windet
ordentlich und ich will in ruhigere Zonen kommen bevor es mich einsaut.
Eine Viertelstunde später
ist es dann soweit und ich muß mich regenfest machen. Der Abstieg ist dafür weniger steil als die
Südseite des Passes. Nun bin ich endgültig in den Bergen. Die Vegetation ist bis auf dünne
Moospolster an der Eldgjá zurückgeblieben. Die Wolken verdecken die niederen Gipfel und ein
böiger Wind treibt den Regen vor sich her. Nutze eine zehnminütige Regenpause in der sich sogar
kurz die Sonne zeigt, zu einer Mittagspause an einem kleinen Bach mit leuchtenden Moospolstern.
Mit erneutem Einsetzen des Regens breche ich wieder auf. Trotzdem bin ich bester Laune und lasse
mir die Freude am Gehen nicht vermiesen. Auf der Piste herrscht nur geringer Verkehr und ich muß
vielleicht alle Viertelstunde einmal den Weg für einen Geländewagen freigeben.
Gleich nach der Mittagsrast wieder ein längerer Anstieg der an der "Paßhöhe" mit dem
Blick auf den
Grænafjall belohnt wird. Der folgende Abstieg ist deutlich länger und steiler. Die vielen
Altschneefelder in den tief eingeschnittenen Runsen und unter den Kämmen bilden einen schönen
Kontrast zu dem leuchtenden Grün der Moosvegetation. Damit es nicht gar zu idyllisch wird
verstärkt sich das Nieseln wieder mal zu einem kräftigen Schauer. In einer engen Schlucht
quert die
Piste zwei mal einen Bach und der ist gerade so breit und tief, daß ich mich
nicht hinüberschwindeln kann. Also Schuhe aus, Sandalen an und durchwaten. Hätte ich nach
der ersten Furt gewußt, daß nur
500 m weiter die zweite kommt hätte ich die Stiefel dazwischen nicht wieder angezogen - aber das
ist so eine der Spezialitäten des Fjallabaksleið! Zwei deutsche Motorradfahrer sind so
vom Abenteuer
gefesselt, daß sie nicht mal einen Gruß erwidern können.
Wie bestellt kommt zu den Furten
auch die
Sonne heraus und der Himmel lichtet sich. Nach der Schlucht geht es hinaus auf den weiten,
falchen Talboden des Halldórsdalur an dessen Ende ich noch einmal einen größeren Bach durchfurten darf.
Einen guten
Kilometer weiter dann Furt Nummer vier und die ist dann auch ziemlich breit und gut
knietief. Es ist jetzt 16:00 Uhr und obwohl die Füße noch recht frisch sind (kein Wunder)
lasse ich es für heute gut
sein. Hundert Meter hinter dem Bach und in einigem Abstand zur Piste findet sich ein flaches,
moosiges Plätzchen für das Zelt.
Ich will gerade noch Wasser holen, als ein kleiner Fiat die Furt falsch anfährt und an
der tiefsten
Stelle hängenbleibt. Nichts geht mehr. Schließlich klettern die Insassen ohne Schuhe
und Strümpfe aus
den Seitenfenstern. Da die Situation nicht bedrohlich ist mache ich erst einmal ein paar Photos.
Entgegen meiner ersten Vermutung sind es tatsächlich keine Ausländer, sondern "isländische
Touristen". Der Fahrer und seine Begleiterin verlassen nach etwa einer Minute fluchtartig das
eiskalte Wasser und massieren sich am Ufer die kalten Füße. Ich wate zu ihnen hinüber. Der Wagen
hat sich richtig schön in einer tiefen Rinne festgefahren. Im Fußraum steht das Wasser
etwa 20 cm
hoch. Die kleine Tochter des Paares sitzt mit hochzezogenen Füßen auf der Rückbank und amüsiert
sich. Da die Stömung den leichten Wagen nun doch versetzt hole ich das Kind heraus und trage es,
wie weiland St. Christopherus, ans andere Ufer. Da die Kleine friert, gebe ich ihr noch meinen
Anorak, dann kümmern wir uns um den Fiat. Überraschenderweise läßt sich der Motor noch starten
und der Auspuff spuckt kleine Fontänen während der Kühlerventilator hörbar das Wasser
umschaufelt. Die Kiste spotzt fürchterlich und nur mit "Anlassermotor" und kräftigem
Schieben läßt
sie sich in eine etwas günstigere Position manövrieren. Jetzt heißt es auf Hilfe warten.
Nach einer
knappen halben Stunde kommt ein Geländewagen an die Furt, aber der Fahrer hat kein Abschleppseil
dabei. Dafür nimmt er Mutter und Tochter mit nach Landmannalaugar, von wo dann Hilfe kommen
sollte. Gemeinsam mit dem Fahrer warte ich also am Flußufer. Nach 20 Minuten schon kommt
ein kleiner Konvoi von 6 isländischen Geländewagen an die Furt und einer hat auch ein langes
Gurtband dabei. Nur hat dieser Fiat hinten keinen Abschlepphaken und so sehr ich auch (unter
Wasser!) suche, vorne auch nicht. Ratlosigkeit macht sich breit und die Geländewagenfahrer
verdrehen die Augen gen Himmel und schütteln die Köpfe. Auf meinen Vorschlag hin ziehen wir das
Gurtband einfach an den Türholmen quer durch das Auto und verknoten es vorne. So geht es!
Allerdings bin ich nach der langen Zeit im kalten Wasser so ausgekühlt, daß mir die Zähne
klappern.
Unter großem Hallo wird die rote Kiste aus der Rinne gezogen und ans andere Ufer geschleppt.
Für den Spott braucht der Fiatfahrer nicht zu sorgen, den bekommt er reichlich. Er,
als Isländer, versucht
mit soooo einem Auto, wenn man das überhaupt als ein solches bezeichnen kann, durch eine gut
isländische Furt zu fahren - und dann noch an der falschen Stelle! So einen Blödsinn machen doch
sonst nur "Útlendingar", naja die in Reykjavík können halt auch nicht richtig Auto fahren.
So und so
ähnlich gingen die Kommentare des Publikums. Der kleine Fiat troff vor sich hin und
schämte sich sicher für sein Herrchen. Ich aber muß schleunigst zu meinem Zelt zurück um mich aufzuwärmen.
Die Geländewagenmeute war schon weitergezogen, als ich höre wie der Fiat wieder anspringt,
grüßend hupt und dann spotzend in Richtung Landmannalaugar davonhoppelt.
Koche mir einen "Ungarntopf mit Nudeln". Sehr langsam komt wieder Lenben in meine Füße. Nach
dem Essen, bei einer Tase heißem Tee, an den Aufzeichnungen. Es ist 20:30 Uhr und heller
als heute Nachmittag. Werde aber bald schlafen. War gut in Form heute! Nach Landmannalaugar
sind es keine 15 km mehr - zumindestens Luftlinie - also fast ein Klacks.
Strangakvísl
Fjallabaksleið
Aufgelaufen ...
... und gestrandet
Zurück zu Inhalt
5. Tag Halldórsdalur - Landmannalaugar